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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Ständig musste sie daran denken, dass ihr Bruder mit gerade mal zehn Jahren Sträflingskleider trug und sich vielleicht sogar unter dem harschen Regiment der Aufseher in den Steinbrüchen der Insel abplagen musste, um dann nachts in eine der überbelegten Zellen gesperrt zu werden. Nein, sie konnte, ja sie durfte sich einfach nicht damit abfinden, dass Daniel nicht zu helfen war! Allein der Gedanke erschien ihr wie schändlicher Verrat. Aber was immer sie an Möglichkeiten durchspielte, um ihn zu retten, nichts davon führte sie auch nur in die Nähe eines Plans, der Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.
    Als sich Mitte September das erste Laub zu verfärben begann und die Zeit nicht mehr fern war, wo sie ihren nächtlichen Lagerplatz im Central Park aufgeben mussten, traf Becky eines Abends später als gewöhnlich von ihrer Tour mit der Evening Post bei Maggie’s ein. Coffin und Timothy warteten jedoch nicht in der Kellerwirtschaft auf sie, sondern fingen sie schon oben an der Treppe ab.
    »Wir gehen heute besser woandershin«, sagte Timothy. »Hier kennen uns zu viele. Wer weiß, wer sich zu uns setzt. Da können wir dann nicht ungestört reden.«
    »Und bei dem, was wir zu bereden haben, können wir keine Zuhörer gebrauchen«, fügte Coffin geheimnisvoll hinzu.
    Becky sah sie verwundert an. »Was haben wir denn zu bereden?«
    »Gleich, Becky«, sagte Timothy und führte sie zwei Häuserblocks weiter in einen Coffee & Cake Saloon, wo sie sich einen Tisch in der hintersten Ecke auswählten. Sie holten sich an der Theke eine große Blechkanne mit Kaffee und heißen, mit Fleischstücken gefüllten Pie.
    »Nun spannt mich nicht länger auf die Folter!«, drängte Becky, nachdem sie Platz genommen und sich einen ersten Schluck von der heißen Brühe gegönnt hatten. »Was müssen wir bereden?«
    »Na, wie wir Daniel aus dem Gefängnis holen können«, sagte Timothy. »Glaubst du etwa, wir hätten ihn vergessen?«
    »Ach Timothy«, sagte Becky und schenkte ihm ein gequältes, dankbares Lächeln. »Du weißt doch ganz genau, dass wir ohne die fünfzig Dollar...«
    »Nun lass uns doch erst einmal ausreden!«, fiel Coffin ihr ungeduldig ins Wort.
    »Entschuldigt, ich höre.«
    Timothy räusperte sich. »Also, es gibt drei Dinge, über die wir uns alle einig sind. Erstens, dass wir deinen Bruder ohne die Hilfe von Billy the Butcher nicht von der Insel kriegen. Zweitens, dass wir die fünfzig Dollar, die er dafür haben will, niemals durch ehrliche Arbeit zusammenbekommen. Und drittens, dass wir nicht daran denken, deshalb die Hände in den Schoß zu legen und tatenlos zuzusehen, wie Daniel auf Blackwell’s Island langsam vor die Hunde geht - und du keine frohe Stunde mehr hast.«
    »Genau!«, bekräftigte Coffin und schob sich ein dickes Stück Fleischpie in den Mund.
    Augenblicklich sah sich Becky in ihrer Ahnung bestätigt. Sie wusste, worauf dieses Gespräch hinauslaufen würde. Doch sie sagte erst einmal nichts, sondern wartete ab.
    »Uns bleibt also nur die Möglichkeit, ein krummes Ding zu drehen, um an die fünfzig Dollar zu kommen«, fuhr Timothy mit gedämpfter Stimme fort. »Und da ist Coffin auf eine Idee gekommen, die recht viel versprechend klingt, wie ich finde.«
    Becky setzte nun zu einem Einwand an, doch Coffin kam ihr zuvor. »Ich weiß, was du sagen willst, aber gib uns erst einmal eine Chance, dir unseren Plan zu erklären, okay? Also, euer ehemaliger Vermieter, dieser Arthur Dougherty, macht doch an jedem Monatsersten seine Runde durch seine Häuser und kassiert die Miete ein, richtig?«
    »Ja, aber...«
    »Ich weiß, der verdammte Blutsauger kommt immer in Begleitung seiner beiden Rausschmeißer«, fiel Coffin ihr erneut ins Wort. »Ich kenne die beiden Typen, Slobbery Joe und Short Tail Patsy. Sie arbeiten nur an diesem einen Tag für Dougherty. Die andere Zeit stehen sie bei der alten Bridget McCarthy, die an der Ecke Mott und Baynard Street ein Bordell betreibt, in Brot und Lohn.«
    »Dieser Dougherty bezahlt sie gut«, warf Timothy ein, »aber nicht gut genug, wie wir herausgefunden haben, als dass sie ihr Leben für ihn aufs Spiel setzen würden.«
    »Wir sollen Dougherty überfallen?«, stieß Becky ungläubig hervor. »Aber das ist der reinste Wahnsinn! Dougherty und seine beiden Schläger lassen sich doch nicht von drei Halbwüchsigen überrumpeln und außer Gefecht setzen! Einmal ganz davon abgesehen, dass wir für so einen Raubüberfall buchstäblich unseren Hals riskieren! Nein, das kommt

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