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Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!

Titel: Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Motten zerfressene Flickenmütze mit Schirm gekauft. Das sollte reichen, damit man sie in der Dunkelheit des Treppenhauses und nachher bei ihrer Flucht über die Dächer nicht so leicht als Mädchen erkannte. Im selben Laden hatte Coffin eine Wollmütze erstanden, die er sich übers Gesicht ziehen wollte, damit ihn seine Augenklappe nicht verriet. Für sein gesundes Auge hatte er einen breiten Schlitz in die Wolle geschnitten.
    »Vergiss nicht, dir noch Dreck und etwas Kohlenstaub ins Gesicht zu schmieren!«, erinnerte Coffin sie, als er das Feuer austrat.
    »Ich werde es schon nicht vergessen«, sagte Becky und fühlte unwillkürlich nach dem kleinen Stück Kohle und der Erde, die sie sich schon am Abend in die Tasche ihres Mantels gesteckt hatte.
    Timothy stellte den Eimer mit den glühenden Kohlen im Sack in den zweiten leeren Eimer, unter dem das feuchte Stroh lag, und zog den Sack vorsichtig zusammen.
    Getrennt machten sie sich im Nieselregen auf den Weg in die Mulberry Street. Coffin, der Doughertys Eintreffen melden sollte, blieb auf der Straße weit hinter ihnen zurück. Und Timothy verschwand mit seinem Sack schon drei Mietskasernen vor dem Haus, in dem Becky mit ihrer Familie gelebt hatte, um sich über die Dächer dem Ziel zu nähern.
    Das Herz schlug Becky im Hals, als sie durch die offen stehende Haustür trat und die Treppen hochstieg. Auf dem Weg nach oben in den fünften Stock, wo es über eine kurze Stiege hinaus aufs Dach ging, begegneten ihr zwei Mieter. Aber keine der schattenhaften Gestalten führte eine Kerze mit sich, sodass sie nicht wusste, an wem sie sich da vorbeizwängte, und auch nicht zu fürchten brauchte, selber erkannt zu werden.
    Ihre Hände zitterten, als sie oben im fünften Stock ihr Kleiderbündel aufschnürte, in die weiten Hosen stieg, ihr Kleid hineinstopfte und die Hose mit einer Kordel so eng zuschnürte, dass sie nicht rutschen und sie nachher beim Laufen auch nicht zu Fall bringen konnte. Dann fasste sie ihr Haar im Nacken zu einem Zopf zusammen, band ein Stück Schnur darum und schob die Haarfülle unter die Flickenmütze. Gerade schmierte sie sich Dreck und Kohlenstaub ins Gesicht, als die Tür zum Dach aufging und Timothy erschien.
    »Ich habe vom Dach aus gesehen, dass gerade eine Kutsche vorgefahren ist!«, raunte Timothy ihr zu und legte einen Holzkeil zwischen Tür und Rahmen, damit etwas Licht zu ihnen in den Flur fiel. »Das muss Dougherty sein!«
    Im nächsten Moment hörten sie, wie jemand unten laut pfeifend die Treppe hochstiefelte. Coffin! Das verabredete Zeichen! Dougherty kam mit seinen Schlägern, um die Miete zu kassieren!
    »Heilige Muttergottes!«, stieß Becky hervor. »Warum ist uns bloß nichts anderes eingefallen!«
    »Ganz ruhig! Es wird schon nicht schief gehen!«, flüsterte Timothy, hob die Eimer aus dem Sack, verteilte die glühenden Kohlen und zog dann das feuchte Stroh heraus. Stroh, Eimer und Sack schob er unter die Stiege, die zur Dachtür hochführte. Auch er beschmierte sich nun sein Gesicht, zog die Mütze tief in die Stirn, holte den Holzkeil und schloss die Tür zum Dach wieder. Dann schlich er zu Becky zurück und kauerte sich mit ihr an den Rand des Treppengeländers.
    »Da!… Das Licht!« Becky deutete in den Treppenschacht hinunter, wo nun ganz unten ein schwacher Lichtschein gegen die Finsternis ankämpfte. Er musste von der Leuchte kommen, mit der einer von Doughertys Rausschmeißern vorausging.
    »Ja, aber es wird noch eine ganze Weile dauern, bis er in den Wohnungen der ersten drei Stockwerke abkassiert hat«, sagte Timothy, tastete in der Dunkelheit nach ihrer Hand und hielt sie fest umschlossen. Leise sprach er ihr Mut zu. »Du wirst sehen, alles geht nach Plan. Seine Schläger werden ihn im Stich lassen und sich einen Dreck darum kümmern, was aus ihm wird! Wir dürfen nur nicht die Nerven verlieren.«
    Das Schlimmste war nun das Warten.
    Coffin hielt sich, wie sie es besprochen hatten, immer einen Stock über Dougherty und seinen prügelbewehrten Begleitern. Gereizte Stimmen, raues Lachen und das Schlagen von Türen drangen zu ihnen in den Flur unter dem Dach.
    Die Zeit schien stillzustehen. Der Lichtschein der Kutscherlampe schien zwischendurch immer wieder zu verlöschen, um dann jedoch erneut im Treppenhaus aufzuflackern und wie ein Irrlicht langsam höher zu steigen.
    Plötzlich war es dann so weit. Coffin tauchte vor ihnen in der Dunkelheit auf, während zwei Etagen unter ihnen eine geifernde Frauenstimme unflätige

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