Becky Brown - Versprich, Nach Mir Zu Suchen!
Verwünschungen ausstieß, die im nächsten Augenblick von einer laut zuschlagenden Tür gedämpft wurden.
»Macht euch bereit!«, rief Coffin ihnen zu. »Sie sind mit dem dritten Stockwerk fertig und kommen die Treppe in den vierten Stock hoch! Wir müssen sie im Flur auf halbem Weg erwischen!«
»Heilige Muttergottes, steh uns bei!«, flüsterte Becky kaum hörbar.
Timothy schlich zur Dachtreppe, zog die Eimer hervor, blies noch einmal mit aller Lungenkraft in die glühenden Kohlen, griff dann zum feuchten Stroh und stopfte es in die Eimer. Coffin ergriff einen und schwenkte ihn kräftig durch die Luft, damit sich möglichst viel Rauch entwickelte. Augenblicklich stieg beißender Qualm auf, der sich schnell auszubreiten begann, als Timothy es ihm mit dem zweiten Eimer nachmachte.
»Los jetzt!«, zischte Coffin, ohne mit dem Schwenken aufzuhören. »Lauf schon los, Becky! Schrei tief aus der Kehle! Und achte darauf, dass dich die Kerle überholen! Wir bleiben dicht hinter dir!«
Becky lief die Treppe hinunter, sich mit einer Hand am Geländer festhaltend. Der Rauch stach ihr in die Augen und sie musste husten. Und so fiel es ihr nicht schwer, mit verstellter Stimme »Feuer!« zu schreien.
Und dann ging alles ganz schnell. Waren die Minuten vorher zäh wie Teer verstrichen, so verwandelte sich die Zeit nun in einen wahnwitzig rasenden Mahlstrom, als müsste sie in Sekundenschnelle wieder wettmachen, was sie zuvor vertrödelt hatte.
Als Becky die Treppe in den vierten Stock hinunterpolterte, auf der letzten Stufe stolperte, in den Dreck des Flurs stürzte, sofort wieder aufsprang und erneut, mit möglichst kehliger Stimme »Feuer!… Feuer!« schreiend, weiterrannte, sah sie vor sich auf halbem Weg zur nächsten Treppe eine offen stehende Wohnungstür und davor die beiden Rausschmeißer. Dougherty selbst war nicht zu sehen, wohl weil er in der Wohnung stand und gerade die Miete entgegennahm. Short Tail Patsy, der Schläger mit dem kurzen geteerten Zopf, hielt die verglaste Kutscherlampe mit dem Kerzenlicht und fuhr als Erster erschrocken herum.
»Was zum Teufel...?«
»Verdammt, das ist Rauch!«, schrie nun Slobbery Joe.
»Es brennt!«, rief Becky und rannte mit gesenktem Kopf an den beiden Männern vorbei.
Coffin und Timothy folgten ihr auf dem Fuße.
»Da oben brennt schon alles!«, hörte sie Timothy brüllen. Sie zogen den Qualm, der von oben herabwaberte, wie eine Fahne hinter sich her.
Nun kannten Slobbery Joe und Short Tail Patsy kein Halten mehr. »Verdammt! Nichts wie raus aus diesem Rattenloch!«, schrie Short Tail Patsy von Panik gepackt und rannte los.
Im selben Moment war Timothy an seiner Seite und rempelte ihn im Laufen so hart an, dass der Schläger gegen die Flurwand taumelte. Die Kutscherlampe zersplitterte, entglitt seiner Hand und das Kerzenlicht erlosch.
Becky blickte sich kurz um und sah, wie Coffin vor der Wohnungstür stehen blieb, aus der eine Frau und ein Mann gerannt kamen. Die Miltons!, schoss es Becky unwillkürlich durch den Kopf, ihre einstigen Nachbarn. Der Mann ein unverbesserlicher Säufer wie ihr eigener Vater. Sie hatten zwei Kinder, die um diese Zeit jedoch schon längst in der Papierfabrik arbeiteten. Eine dritte Gestalt tauchte im Türrahmen auf.
Dougherty!
Doch da sprang Coffin schon auf ihn zu und stieß ihn zurück in die Küche.
»Aus dem Weg, du Dreckskerl!«, brüllte indessen Short Tail Patsy, schlug mit aller Kraft nach Timothy, der sich auch bereitwillig zu Boden stoßen ließ und liegen blieb.
Slobbery Joe trampelte über ihn hinweg.
Sofort sprang Timothy wieder auf und lief zurück.
Aus der offen stehenden Wohnungstür kamen Schreie, die nur von Dougherty kommen konnten. Aber sie fielen in dem allgemeinen Tumult, der jetzt ausbrach, nicht weiter auf. Denn auch aus anderen Wohnungen drangen Schreie ins dunkle Treppenhaus und machten das Chaos komplett.
Indessen hatte Short Tail Patsy den kleinen Vorsprung wettgemacht, den Becky vor ihm gehabt hatte. Grob stieß er sie auf der Treppe zur Seite. Becky schrie vor Schmerz auf und hielt sich am Geländer fest, während die beiden Männer die Treppe hinunterstürzten, so schnell sie konnten.
Becky rappelte sich auf und rannte die Stufen wieder hoch, zurück zur Wohnung, wo Dougherty sowie Coffin und Timothy sein mussten. Sie presste sich an der Wand entlang, um den Mietern auszuweichen, die aus ihren Wohnungen strömten.
Niemand achtete auf sie, als sie sich Augenblicke später durch den Türspalt in
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