Bedenke Phlebas
man einmal
darüber nachdenkt… Eigentlich könnte ich mein Blatt in
die Luft werfen… Er war fast mit dem Ausspielen an der
Reihe… Erst noch diese flachbrüstige Schlampe… Junge,
hatte er ein Blatt, und damit würde er sie schlagen…
Horza schaltete wieder ab. Er war sich nicht sicher, ob er
Kraiklyns eigene Gedanken über die Frau hörte oder ob
jemand anders versuchte, Kraiklyn so über sie denken zu
lassen.
Später in der Runde, als die Frau ausgeschieden war und sich
mit geschlossenen Augen zurücklehnte, hörte Horza sich
Kraiklyns Gedanken noch einmal an. (Horza sah kurz zu der
weißhaarigen Frau hin, die auf der Couch weiter unten lag.
Offenbar verfolgte sie das Spiel, aber ihr eines Bein hing über
den Rand der Couch und schwang hin und her, als sei sie in Gedanken
woanders.) Kraiklyn fühlte sich gut. Zunächst einmal war
die Schlampe neben ihm ausgeschieden, und er war überzeugt, das
hatten die Karten bewirkt, die er ausgespielt hatte, aber dann war da
noch ein inneres Frohlocken… Hier war er, spielte mit den besten
Spielern der Galaxis… mit den Spielern. Er. Er… (Ein
plötzlicher hemmender Gedanke blockierte einen Namen, den er
gerade hatte denken wollen)… und er hielt sich wirklich gar
nicht schlecht… Er war obenauf… Tatsächlich hatte er
ein verdammt gutes Blatt… Endlich lief es für ihn so, wie
es sollte… Er würde einiges gewinnen… Zu vieles war
früher… nun, es war vorbei… Konzentrier dich auf
die Karten! (plötzlich) Konzentrier dich auf das Hier und
Jetzt! Ja, die Karten… Sehen wir mal… Ich kann diesen
fetten blauen Lümmel damit übertrumpfen… Horza
schaltete wieder ab.
Er schwitzte. Ihm war nicht klar gewesen, wie stark das Feedback
aus den Gehirnen der Spieler war. Er hatte gemeint, es seien nur die
Emotionen, die auf sie abgestrahlt wurden. Nicht im Traum hatte er
sich vorgestellt, daß er mitten drin in Kraiklyns Kopf
sein würde. Und doch war es nur ein Hauch von dem, was Kraiklyn
selbst und die Moties und die Leben hinter ihm mit voller Wucht
empfingen. Richtiges Feedback, nur knapp unter Kontrolle, kurz davor,
das emotionale Äquivalent eines Lautsprecher-Geheuls zu werden,
sich aufbauend zur Zerstörung. Jetzt erkannte der Wandler die
Anziehungskraft des Spiels und den Grund, warum schon Leute beim
Spielen verrückt geworden waren.
So wenig ihm die Erfahrung gefiel, Horza empfand neuen Respekt
für den Mann, den er zumindest entfernen und ersetzen,
höchstwahrscheinlich aber töten würde.
Kraiklyn hatte so etwas wie einen Vorteil, weil die Gedanken und
Empfindungen, die auf ihn zurückgestrahlt wurden, wenigstens
teilweise aus seinem eigenen Kopf stammten, wohingegen die Leben und
die Moties extrem starke Stöße von Gefühlen aushalten
mußten, die voll und ganz die eines anderen waren. Trotzdem
brauchte man beträchtliche Charakterstärke oder sehr viel
hartes Training, um das wegzustecken, womit Kraiklyn offensichtlich
fertig wurde. Horza schaltete sich wieder ein und dachte: Wie
ertragen die Moties das? Und: Paß auf, vielleicht haben
sie einmal so angefangen.
Zwei Einsätze später verlor Kraiklyn die Runde. Auch
Neeporlax, der halb blinde Albino, wurde geschlagen, und der Suut
strich den Gewinn ein. Sein Stahlgesicht schimmerte in dem Licht, das
die vor ihm liegenden Aoish-Credits zurückwarfen. Kraiklyn war
auf seinem Stuhl zusammengesunken, und ihm war, wie Horza sah,
sterbenselend. Eine Art resignierter, beinahe dankbarer Agonie
überrollte Kraiklyn von hinten, als sein erstes Leben starb, und
auch Horza fühlte es. Er und Kraiklyn zuckten beide
zusammen.
Horza schaltete ab und sah nach der Zeit. Weniger als eine Stunde
war vergangen, seit er sich den Eintritt vorbei an den Wachposten vor
den Toren der Arena erschwindelt hatte. Er hatte Essen auf einem
niedrigen Tisch neben seiner Couch, aber er stand trotzdem auf,
ließ es liegen und stieg die Terrasse zu dem nächsten
Gehweg hoch, wo Imbißstände und Bars warteten.
Sicherheitsleute überprüften die Pässe. Horza sah,
wie sie sich auf der Terrasse von Person zu Person bewegten. Er hielt
sein Gesicht nach vorn gerichtet, aber seine Augen flackerten von
einer Seite zur anderen und beobachteten sie. Eine Kontrolleurin,
fast auf direktem Weg zu ihm, beugte sich gerade über eine alt
wirkende Frau. Die Zuschauerin lag auf einem Luftbett, das
parfümierte Dämpfe um ihre dünnen, bloßliegenden
Beine blies, und sie folgte dem Spiel mit einem breiten Lächeln
auf dem Gesicht. Es dauerte
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