Bedenke Phlebas
Lähmwaffe
nieder), aber sie konnten sich selbst vernichten. Jede Spielkonsole,
aus der die Emotionssender die entsprechenden Gefühle
abstrahlten, auf der die Karten ausgespielt wurden und die dem
Spieler anzeigte, wieviel Uhr es war und wie viele Leben er noch
hatte, enthielt einen kleinen hohlen Knopf, in dem eine mit Gift
gefüllte Nadel bereitlag, sich in den Finger zu bohren, der
darauf drückte.
›Katastrophe‹ gehörte zu den Spielen, bei denen es
unklug war, sich zu viele Feinde zu machen. Nur Leute mit sehr
starker Willenskraft konnten dem Wunsch nach Selbstmord widerstehen,
der ihren Gehirnen durch eine gemeinsame Attacke eines halben Tisches
von Spielern eingepflanzt wurde.
Am Ende jeder Runde, wenn das Geld, das gesetzt worden war, von
dem Spieler mit den meisten Kartenpunkten eingestrichen wurde,
verloren alle anderen Spieler, die mitgehalten hatten, ein Leben.
Hatten sie keins mehr übrig, waren sie aus dem Spiel, und auch,
wenn ihnen das Geld ausging. Nach den Regeln war das Spiel beendet,
wenn nur noch ein einziger Spieler Leben besaß, doch in der
Praxis wurde es abgebrochen, wenn die noch übrigen Teilnehmer
übereinkamen, daß sie, sollten sie weiterspielen, ihr
eigenes Leben an die jeweilige bevorstehende Katastrophe verlieren
würden. Sehr interessant konnte es gegen Ende eines Spiels
werden, wenn der Augenblick der Vernichtung ganz nahe war, die Runde
schon einige Zeit andauerte, ein großer Geldbetrag auf diese
eine Runde gesetzt war, und einer oder mehrere Spieler nicht mit
einem Abbruch einverstanden waren. Dann schieden sich in Wahrheit die
Klugen von den Affen, und es wurde in verstärktem Maß ein
Nervenspiel. Nicht wenige der besten Katastrophenspieler waren
umgekommen, weil sie versucht hatten, einander unter solchen
Umständen an Tollkühnheit und Sturheit zu
übertreffen.
Vom Standpunkt des Zuschauers aus war die besondere Attraktion
eines Katastrophenspiels, daß er, je näher er dem
Emotionssender eines bestimmten Spielers war, desto mehr von den
Emotionen, die die Spieler empfanden, mitbekam. Eine ganze Subkultur
von Leuten, wild auf solche Gefühle aus dritter Hand, war in den
paar hundert Jahren, seit ›Katastrophe‹ sich zu einem so
exklusiven, aber populären Spiel entwickelt hatte, entstanden:
die Moties.
Es gab weitere Gruppen, die ›Katastrophe‹ spielten. Die
Spieler am Vorabend der Zerstörung waren nur die
berühmtesten und die reichsten. Die Moties konnten ihren
emotionalen Schuß an vielen Orten in der ganzen Galaxis
bekommen, aber nur bei einem Vollen Spiel, nur am Rand der
Annihilierung, nur mit den allerbesten Spielern (plus ein paar
hoffnungsvollen) erlebte man die intensivsten Sensationen. Einen
dieser Unglücklichen hatte Horza verkörpert, als er
entdeckte, daß ein Eintrittspaß die doppelte Geldsumme
kostete, die er an dem Shuttle verdient hatte. Einen Türsteher
zu bestechen, war viel billiger gewesen.
Die echten Moties saßen dicht bei dicht hinter dem Zaun, der
sie von den Leben trennte. Sechzehn Klumpen von schwitzenden,
nervös dreinblickenden Leuten – wie die Spieler waren es
hauptsächlich Männer – stießen und drückten
sich vorwärts, um möglichst nahe an den Tisch, an die
Spieler heranzukommen.
Horza betrachtete sie, während die Karten von dem
Ober-Ischlorsinami ausgeteilt wurden. Moties sprangen in die
Höhe, versuchten zu sehen, was passierte. Sicherheitsleute, die
mit Prallhelmen gegen die Emotionsstrahlungen ausgerüstet waren,
patrouillierten am Zaun entlang, klatschten sich mit
Nervenstöcken gegen die Schenkel und behielten sie wachsam im
Auge.
»… Sarble das Auge…«, sagte jemand in Horzas
Nähe, und Horza drehte sich nach ihm um. Ein leichenblasser
Mensch, der hinter und links von Horza auf einer Couch lag, sprach
mit einem anderen und zeigte nach oben auf die Terrasse, wo es vor
ein paar Minuten den Tumult gegeben hatte. Horza hörte die
Wörter ›Sarble‹ und ›gefangen‹ noch ein
paarmal von anderen Stellen in seiner Umgebung, als die Neuigkeit
sich ausbreitete. Er wandte den Kopf zurück, um dem Spiel
zuzusehen. Die Spieler prüften ihre Blätter; das Wetten
begann. Horza fand es schade, daß der Reporter gefangen worden
war, aber es konnte bedeuten, daß die Sicherheitsleute sich ein
bißchen entspannten und seine Chancen, nicht nach seinem
Eintrittspaß gefragt zu werden, dadurch stiegen.
Horza saß gut fünfzig Meter von der ihm nächsten
Spielerin entfernt, einer Frau, deren Namen er erwähnen
gehört,
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