Bedenke Phlebas
wahr?«
»Nein«, gab Horza ungeduldig zurück, »durchaus
nicht. Wir werden den Sensor reparieren. Wie ist es, könntest du
zur Abwechslung einmal etwas Nützliches tun?«
»Zur Abwechslung?« fragte Unaha-Closp in einem Ton, der
sich nach verletztem Gefühl anhörte. »Zur Abwechslung? Du vergißt, wer es war, der euch allen im
Tunnel das Leben gerettet hat, als unser süßer kleiner
idiranischer Kontaktmann da drüben anfing, Amok zu
laufen.«
»Schon gut, Roboter«, zischte Horza durch die
zusammengebissenen Zähne. »Ich habe ›danke‹
gesagt. Du könntest dir doch jetzt den Bahnhof ansehen, nur
für den Fall, daß es dort etwas zu sehen gibt.«
»Zum Beispiel Gehirne, die du auf nutzlosen Anzug-Sensoren
nicht entdecken kannst? Und was wollt ihr alle tun, während ich
das tue?«
»Ausruhen«, antwortete Horza. »Und
nachdenken.« Er blieb vor Xoxarle stehen und sah seine Fesseln
nach.
»Oh, großartig«, höhnte Unaha-Closp.
»Was hat euer Nachdenken nicht schon für
phantastische Ergebnisse gezeitigt…«
»Zum Henker, Unaha-Closp!« Yalson seufzte schwer.
»Entweder du gehst, oder du bleibst, aber halt die
Klappe!«
»Ich verstehe! Gut!« Unaha-Closp zog sich von ihnen
zurück und stieg in die Luft. »Dann gehe ich eben ganz! Ich
hätte gleich…«
Damit flog er davon. Horza überschrie ihn: »Bevor du
gehst, sag doch, kannst du irgendwelchen Alarm hören?«
»Was?« Unaha-Closp machte halt. Wubslin setzte ein
gequältes Gesicht auf und sah an den glänzenden Wänden
des Bahnhofs umher, als strenge er sich an, Frequenzen zu hören,
für die seine Ohren nicht eingerichtet waren.
Unaha-Closp schwieg für einen Augenblick, dann antwortete er:
»Nein. Kein Alarm. Ich gehe jetzt. Ich sehe mir den anderen Zug
an. Wenn ich meine, ihr könntet in liebenswürdigerer
Stimmung sein, werde ich zurückkommen.« Er drehte sich um
und sauste davon.
»Dorolow hätte den Alarm hören können«,
murmelte Aviger, aber niemand hörte es.
Wubslin sah zu dem Zug auf, der im Licht des Bahnhofs schimmerte
und ebenso wie der Bahnhof von innen heraus glühte.
… was ist das? ist es licht? bilde ich es mir ein? sterbe
ich? ist es das, was geschieht? sterbe ich jetzt, so früh? ich
dachte, ich hätte noch eine weile zu leben, und ich habe es
nicht verdient…
licht! es ist licht!
ich kann wieder sehen!
Von seinem eigenen trockenen Blut an das kalte Metall
geschweißt, der Körper zerbrochen und verrenkt,
öffnete er sein eines unversehrtes Auge, so weit er konnte.
Schleim war darauf festgetrocknet, und er blinzelte, um es
freizubekommen.
Sein Körper war ein dunkles und fremdes Land des Schmerzes,
ein Kontinent der Qual.
… Ein Auge übrig. Ein Arm. Ein Bein fehlte, war einfach
abgehackt. Eines war gelähmt, das dritte gebrochen (um ganz
sicher zu sein, versuchte er, es zu bewegen. Schmerz durchschoß
ihn wie Feuer, wie ein Blitz über dem beschatteten Land, das
sein Körper und sein Schmerz war), und mein gesicht…
mein gesicht…
Er fühlte sich wie ein zerquetschtes Insekt, von Kindern nach
einem Nachmittag grausamen Spiels liegengelassen. Sie hatten ihn
für tot gehalten, aber er war nicht auf die Weise gebaut wie
sie. Ein paar Löcher hatten nichts zu bedeuten; ein amputiertes
Glied… nun, sein Blut sprudelte nicht hervor wie ihres, wenn ein
Bein oder Arm abgetrennt wurde (er erinnerte sich an die Aufzeichnung
der Vivisektion eines Menschen), und für einen Krieger gab es
keinen Schock, nicht wie bei ihren armseligen, weichen,
fleischwabbeligen Systemen. Er war ins Gesicht geschossen worden,
aber der Strahl oder die Kugel hatte die innere keratinöse
Gehirnhaut nicht durchdrungen und keinen Nerv durchtrennt.
Ähnlich war es mit seinen Augen. Sie waren zerschmettert worden,
aber die andere Seite seines Gesichts war heil, und er konnte immer
noch sehen.
Es war so hell. Seine Sicht klärte sich, und er sah, ohne
sich zu bewegen, zum Dach des Bahnhofs hinauf.
Er konnte spüren, daß er langsam starb. Es war ein
inneres Wissen, das sie wahrscheinlich auch nicht besaßen. Er
konnte spüren, wie sein Blut innerhalb seines Körpers
auslief, spürte den Druckaufbau in seinem Rumpf und das schwache
Sickern durch Risse in seiner Hornhaut. Die Überreste des Anzugs
würden ihm helfen, aber ihn nicht retten. Seine inneren Organe
schalteten sich eins nach dem anderen ab. Es gab zu viele Löcher
von einem System zu anderen. Sein Magen würde seine letzte
Mahlzeit nicht mehr verdauen, und sein vorderer Lungensack,
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