Bedenke Phlebas
Die
Arme erschlafften, die Hände öffneten sich. Die
Keratin-Platten seines Bauchs rissen auf, Eingeweide
schlängelten sich auf dem nassen Boden des Tunnels, während
sein ganzer Oberkörper in den seichten Pfützen umhersprang,
die sich unter dem künstlichen Regen bildeten. Was noch
übrig war, die schweren Hüften und die drei mannsdicken
Beine, blieben ein paar Sekunden lang von allein stehen. Unaha-Closp
schwebte währenddessen an die Decke, und Horza lag still unter
dem fallenden Wasser, dessen Pfützen sich jetzt von seinem und
Xoxarles Blut mit Purpur und Rot färbten.
Xoxarles Torso lag bewegungslos da, wo er hingefallen war, zwei
Meter hinter den noch stehenden Beinen. Dann knickten die Knie
langsam ein, als gäben sie dem Zug der Schwerkraft nur
widerwillig nach, und die schweren Hüften senkten sich auf die
gespreizten Füße nieder. Wasser platschte in die blutige
Schüssel von Xoxarles offenem Becken.
»Bala bala bala«, murmelte Unaha-Closp oben an der
Decke, vor Nässe tropfend. »Bala labalabalabla…
haha.«
Balveda hielt das Gewehr weiter auf Xoxarles zerbrochenen
Körper gerichtet. Sie kam langsam den Korridor hoch, watete
durch das dunkelrote Wasser.
Neben Horzas Füßen blieb sie stehen und betrachtete
ohne Mitgefühl Xoxarles Kopf und Oberkörper auf dem
Tunnelboden. Blut und innere Organe quollen aus der Brust des
gefallenen Riesen. Sie zielte und feuerte auf den massigen Kopf des
Kriegers, schoß ihn von den Schultern und schleuderte
Keratin-Stücke zwanzig Meter den Tunnel hinauf. Der
Rückstoß schüttelte sie, die Echos sangen in ihren
Ohren. Endlich entspannte sie sich. Ihre Schultern sanken herab. Sie
blickte zu dem Roboter hoch, der an der Decke schwebte.
»Hier bin ich, unten hochschwebend, deckenwärts fallend
bala bala ha ha…«, sagte Unaha-Closp und bewegte sich
unsicher. »Na also. Sieh her! Ich bin fertig, ich bin
nur… Wie ist mein Name? Wieviel Uhr ist es? Bala bala, hehe ho!
Wasser die Menge. Unten oben. Haha und so weiter.«
Balveda kniete sich neben den liegenden Mann. Sie steckte das
Gewehr in eine Tasche und befühlte Horzas Hals. Er lebte noch.
Sein Gesicht war im Wasser. Sie hob und zog, versuchte, ihm
umzudrehen. Aus seiner Kopfhaut sickerte Blut.
»Roboter«, sagte sie und versuchte, den Mann nicht
wieder in das Wasser fallen zu lassen, »hilf mir mit ihm!«
Sie hielt Horzas Arm mit ihrer unversehrten Hand und verzog das
Gesicht vor Schmerz, als sie die andere Schulter benutzte, um ihn
weiter herumzurollen. »Unaha-Closp, verdammt sollst du sein,
hilf mir!«
»Bla bala bal. Hoho he. Hier bin ich, ich bin hier. Wie geht
es dir? Decke, Dach, innen außen. Ha ha bala bala«,
trillerte der Roboter, der immer noch fest an der Decke saß.
Balveda gelang es schließlich, Horza auf den Rücken zu
wälzen. Der falsche Regen fiel auf sein zerfetztes Gesicht,
wusch ihm das Blut von Nase und Mund. Erst das eine, dann auch das
andere Auge öffneten sich.
»Horza«, sagte Balveda und beugte sich vor, so daß
ihr Kopf ihn vor dem fallenden Wasser und dem Deckenlicht
schützte. Das Gesicht des Wandlers war bleich bis auf die
dünnen Blutfäden, die aus Mund und Nase sickerten. Eine
rote Flut kam von seinem Rücken und der Seite des Kopfes.
»Horza?« fragte Balveda.
»Du hast gesiegt«, sagte Horza, die Wörter
verschleifend, mit leiser Stimme. Er schloß die Augen. Balveda
wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie schloß die Augen,
schüttelte den Kopf.
»Bala bala… der Zug der soeben auf Bahnsteig Eins
einläuft…«
»… Roboter«, flüsterte Horza, sah auf, an
Balvedas Kopf vorbei. Sie nickte. Seine Augen rollten nach oben,
versuchten, über seine Stirn hinwegzusehen. »Xoxarle…
Was ist geschehen?«
»Ich habe ihn erschossen«, antwortete Balveda.
»… Bala bala wirf deine Arme komm heraus komm herein
einer mehr einmal derselbe… Ist jemand hier drin?«
»Womit?« Horzas Stimme war beinahe unhörbar; sie
mußte sich dicht über ihn beugen, um ihn zu verstehen. Sie
nahm das kleine Gewehr aus der Tasche.
»Damit.« Sie öffnete den Mund, zeigte ihm die
Lücke, wo ein Backenzahn gesessen hatte. »Memoryform. Das
Gewehr war Teil von mir, sah aus wie ein richtiger Zahn.« Sie
versuchte zu lächeln. Es war zweifelhaft, ob der Mann das Gewehr
überhaupt sehen konnte.
Er schloß die Augen wieder. »Klug«, sagte er
leise. Blut floß von seinem Kopf, vermischte sich mit der
Purpurfarbe von Xoxarles verstümmeltem Körper.
»Ich bringe dich zurück, Horza«,
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