Bedenke Phlebas
Gehsteig zu, der
die Höhle überquerte und am anderen Ende der Terrasse in
einen weiteren Tunnel führte – in den Tunnel, durch den man
zu den Transitröhren gelangte.
Balveda hörte den Idiraner atmen. Ihre klingenden Ohren
fingen das Knistern der Flammen, das Zischen des Schaums und das
angestrengte Pfeifen von Xoxarles Atem auf. Er hielt sie
mühelos, als wiege sie nichts. Sie schrie vor Verzweiflung, hob
ihren Körper mit aller Kraft, versuchte, seinen Griff zu brechen
oder wenigstens einen Arm freizubekommen, zappelte schwach.
Sie kamen an den hängenden Gehsteig, und wieder wäre der
Idiraner beinahe ausgerutscht, dann gewann er wieder noch rechtzeitig
das Gleichgewicht zurück. Er ging die schmale Brücke
entlang. Sein hinkender, unsicherer Schritt erschütterte sie,
ließ sie dröhnen wie eine Blechtrommel. Balvedas
Rücken schmerzte, so verkrampfte er sich. Xoxarles Griff blieb
fest.
Er blieb stehen und zog sie nach vorn vor sein großes
Sattelgesicht. Einen Augenblick hielt er sie an beiden Schultern,
dann faßte er ihren rechten Arm mit der einen Hand am Ellbogen
und ihre rechte Schulter mit der anderen.
Er hob ein Knie, hielt den Oberschenkel parallel zu dem
Höhlenboden dreißig Meter weiter unten. An Ellbogen und
Schulter hängend, mit dem ganzen Gewicht an dem einen Arm, mit
schmerzendem Rücken und kaum noch klarem Kopf erkannte sie
plötzlich, was er vorhatte.
Sie schrie.
Xoxarle legte sich den Oberarm der Frau über das Bein und
knickte ihn wie einen Zweig. Ihr Schrei brach wie Eis.
Er packte sie am Handgelenk ihres unversehrten Arms und schwang
sie von der Brücke bis unter seine Füße. Nachdem er
ihre Hand auf eine dünne Metallstrebe gelegt hatte,
verließ er sie. Es war in einer oder zwei Sekunden getan.
Balveda schwang wie ein Pendel unter der Metallbrücke. Xoxarle
rannte hinkend davon. Jeder Schritt, der die Hängebrücke
erschütterte, vibrierte durch die Strebe bis in Balvedas Hand
und lockerte ihren Griff.
So hing sie. Ihr gebrochener Arm baumelte nutzlos herab. Ihre Hand
umfaßte die kalte, glatte, schaumverschmierte Oberfläche
der dünnen Strebe. Es drehte sich vor ihren Augen;
Schmerzwellen, die sie vergeblich abzuschalten versuchte,
überfluteten sie. Die Höhlenlichter gingen aus, dann gingen
sie wieder an. Eine weitere Explosion warf die Wagentrümmer
durcheinander. Xoxarle hatte die Brücke hinter sich gebracht und
lief hinkend über die Terrasse an der anderen Seite der
großen Höhle und hinein in den Tunnel. Balvedas Hand
begann abzugleiten, wurde gefühllos; ihr ganzer Arm wurde
kalt.
Perosteck Balveda drehte sich in der Luft, warf den Kopf
zurück und heulte.
Der Roboter hielt an. Jetzt kamen die Geräusche von hinten.
Er hatte die falsche Richtung gewählt. Seine Gedanken waren
immer noch nicht ganz klar; Xoxarle war also doch nicht umgekehrt. Ich bin ein Idiot! Man dürfte mich nicht allein ins Freie
lassen!
Er wendete seinen Körper in der Luft des Tunnels, der vom
Kontrollraum und den langen Schlafsälen wegführte, bremste
und stoppte. Dann eilte er den Weg zurück, den er gekommen war.
Er hörte Laserfeuer.
Horza war im Kontrollraum, der frei war von Wasser und Schaum.
Doch stieg Rauch aus einem großen Loch in einer der Konsolen
auf. Er zögerte, dann hörte er wieder einen Schrei –
es war eine menschliche Stimme, die Stimme einer Frau – und
rannte durch die Tür, die zu den Schlafsälen
führte.
Balveda versuchte, ihren Körper wie ein Pendel schwingen zu
lassen, damit sie ein Bein über die Brücke haken konnte.
Aber mit den bereits verletzten Muskeln in ihrem unteren Rücken
schaffte sie es nicht. Muskelfasern rissen, Schmerz überflutete
sie. Sie hing.
Sie spürte ihre Hand nicht mehr. Schaum setzte sich auf ihr
nach oben gewandtes Gesicht und stach ihr in die Augen. Eine Reihe
von Explosionen erschütterte den Haufen zerfetzter Wagen,
ließ die Luft um sie erzittern, schüttelte sie. Sie
merkte, daß sie abrutschte, ihre Hand glitt einen oder zwei
Millimeter weiter nach unten. Sie bemühte sich, fester
zuzupacken, aber sie hatte kein Gefühl mehr in den Fingern.
Lärm kam von der Terrasse. Sie versuchte sich umzusehen, und
sie erkannte Horza, der über die Terrasse auf die Brücke
zurannte, das Gewehr in der Hand. Er rutschte auf dem Schaum aus und
mußte sich mit seiner freien Hand festhalten.
»Horza…«, wollte sie rufen, aber es kam nur ein
Krächzen heraus. Horza lief über ihr den Steg entlang, den
Blick starr geradeaus
Weitere Kostenlose Bücher