Bedenke Phlebas
zum
nächsten Stockwerk hinauf. Zu Horzas Rechten bildete die Mauer
hinter einem gedrungenen Turm eine Ecke; zu seiner Linken verschwand
der Gehweg scheinbar in einer schwarzen Wand, die im rechten Winkel
vorsprang. Nach Kraiklyns Plan sollte Horza diesen Weg nehmen. Es
mußte eine Tür da sein. Horza joggte auf die schwarze Wand
zu.
Ein Helm tauchte von der Seite der schrägen Mauer hoch. Horza
war dabei, sich zu ducken und zu drehen, nur für alle
Fälle, aber erst winkte ein Arm von derselben Stelle, dann
erschienen sowohl der Helm als auch der Arm, und er erkannte die Frau
Gow.
Horza schob die Sichtscheibe seines Helms im Laufen zurück
und bekam einen Schwall dschungelduftender marjoinischer Luft ins
Gesicht. Er hörte knatterndes Projektil-Feuer aus dem Innern des
Tempels und das ferne Wumm einer explodierenden
Mikrohowitzer-Kugel. Er lief zu einem schmalen Eingang in der
schrägen Wand hin, der halb von Streifen eines moosigen
Gewächses verborgen war. Gow kniete, das Gewehr
schußbereit, auf den gesplitterten Überresten einer
schweren Holztür, die den ins Innere führenden Gang
blockiert hatte. Horza kniete sich neben sie und zeigte auf seinen
Helm.
»Mein Kommunikator ist aus. Was ist geschehen?«
Gow berührte einen Knopf an ihrem Handgelenk, und ihr
Anzug-Lautsprecher sagte: »Bis jetzt ist alles okay. Keine
Verwundungen. Sie auf Türmen.« Sie zeigte hinauf. »Sie
nicht hineinfliegen. Feind haben nur Projektil-Gewehre, sie
zurückweichen.« Sie nickte und spähte fortwährend
durch den Eingang und in den dunklen Gang dahinter. Horza nickte
ebenfalls. Gow klopfte ihm auf den Arm. »Ich sagen Kraiklyn, du
gehen hinein, ja?«
»Ja, sag ihm, mein Kommunikator ist aus, okay?«
»Sicher. Zallin Ärger haben. Du vorsichtig sein,
okay?«
»Sei du auch vorsichtig«, antwortete Horza. Er stand auf
und betrat den Tempel, schlurfte über Holzsplitter und
Bruchstücke aus Sandstein, die durch die Zerstörung der
Tür über das Moos gestreut worden waren. Der dunkle
Korridor gabelte sich in drei Richtungen. Er wandte sich zu Gow
zurück und zeigte darauf. »Mittlerer Gang,
richtig?«
Die geduckte Gestalt, die sich vor dem Licht der
Morgendämmerung abhob, nickte und antwortete: »Ja, sicher.
Du gehen mittleren.«
Horza ging los. Der Korridor war mit Moos bedeckt. Alle paar Meter
glommen matte elektrische Lampen an den Wänden und warfen
trübe Lichtpfützen, die das dunkle Moos zu absorbieren
schien. Obwohl es nicht kalt war, fröstelte es Horza in dem
engen Gang mit den weichen Wänden und dem schwammigen
Fußboden. Er sah nach, ob sein Gewehr schußbereit war.
Abgesehen von seinem eigenen Atem hörte er kein
Geräusch.
Er kam an eine T-Kreuzung und nahm die Abzweigung nach rechts.
Eine Treppe wurde sichtbar, und er rannte sie hoch. Einmal stolperte
er, als seine Füße versuchten, aus den ihm zu großen
Stiefeln zu schlüpfen; er streckte die Hand aus und schrammte
sich den Arm an der Stufe auf. Ein Fetzen Moos ging ab, und er sah
darunter in dem matten gelben Licht der Wandlampen kurz etwas
Glitzerndes. Er fand das Gleichgewicht wieder, schüttelte seinen
verletzten Arm und stieg weiter. Warum nur hatten die Erbauer des
Tempels die Treppe aus etwas gemacht, das wie Glas aussah? Oben
angekommen, ging er einen kurzen Korridor entlang, dann eine weitere
Treppe hinauf, die sich nach rechts wand und unbeleuchtet war. In
Anbetracht seines Namens, dachte Horza, war der Tempel bemerkenswert
dunkel. Er landete auf einem kleinen Balkon.
Der Mantel des Mönchs war dunkel, von der gleichen Farbe wie
das Moos, und Horza entdeckte ihn erst, als sich ihm das blasse
Gesicht zusammen mit dem Gewehr zuwandte.
Horza warf sich zur Seite, gegen die Wand zu seiner Linken und
feuerte gleichzeitig sein Gewehr aus der Hüfte ab. Das Gewehr
des Mönchs ruckte nach oben und ratterte eine Salve gegen die
Decke. Der Mönch fiel zu Boden. Die Schüsse hallten in dem
leeren Raum hinter dem kleinen Balkon rundherum wider. Horza hockte
an der Wand, die Mündung auf die dunkle, zusammengebrochene
Gestalt gerichtet, die nur zwei Meter von ihm entfernt war. Er hob
den Kopf und sah im Dämmerlicht, was vom Gesicht des Mönchs
übriggeblieben war. Da entspannte er sich ein wenig. Der Mann
war tot. Horza drückte sich von der Wand ab und kniete sich vor
das Balkongeländer. Jetzt erkannte er eine große Halle,
die von wenigen kleinen Kugellampen, die aus ihrem Dach vorragten,
spärlich beleuchtet wurde. Der Balkon befand sich etwa
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