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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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seiner selbst, nichts als ein
Rohentwurf für die ganze labyrinthische Komplexität seiner
wahren Persönlichkeit. Es war die getreueste Kopie, die es mit
seinen begrenzten Möglichkeiten hatte herstellen können,
und es verfügte immer noch über Bewußtsein, auch wenn
man an das Bewußtsein die strengsten Maßstäbe
anlegte. Doch ein Inhaltsverzeichnis ist nicht der vollständige
Text, ein Stadtplan ist nicht die Stadt, eine Karte nicht das
Land.
    Also fragte es: Wer bin ich?
    Nicht die Wesenheit, die es zu sein meinte, das war die Antwort,
und zwar die beunruhigende Antwort. Denn es wußte, das Ich, das
es jetzt war, würde niemals fähig sein, all die Dinge zu
denken, die sein altes Ich gedacht haben würde. Es fühlte
sich unwürdig. Es fühlte sich fehlbar und begrenzt
und… stumpf.
    Nein, denke positiv! Muster, Bilder, die
Karteikarten-Analogie… mach die schlechte Konstruktion zu einer
guten. Du mußt nur denken…
    Wenn es nicht es selbst war, dann würde es nicht es
selbst sein.
    In seinem gegenwärtigen Zustand verhielt es sich zu seinem
vorherigen wie der ferngesteuerte Roboter zu seinem jetzigen Ich
(hübscher Vergleich).
    Der ferngesteuerte Roboter würde mehr sein als nur seine
Augen und Ohren, wenn er auf der Planetenoberfläche, in der
Basis der Wandler oder doch in ihrer Nähe, Wache hielt, mehr als
nur ein Helfer bei den zweifellos hektischen Vorbereitungen zur
Bewaffnung und zum Verstecken, die zu treffen waren, wenn der Roboter
Alarm schlug. Und er würde weniger sein.
    Denk an die angenehme Seite! Denk an die guten Dinge! War
es nicht klug gewesen? Ja, in der Tat.
    Seine Flucht von dem Ersatzteil-Kriegsschiff war, auch wenn es das
selbst dachte, einfach atemberaubend meisterhaft und brillant
gewesen. Sein mutiges Warpen so tief innerhalb eines
Schwerkraftschachtes hätte man in allen anderen Umständen
außer dem vorliegenden Notfall als äußerste Torheit
bezeichnen können, aber so oder so zeugte es von ungeheurem
Geschick… Und sein überwältigender Transfer vom Hyper-
in den Realraum war nicht nur noch brillanter und noch mutiger als
alles andere, was es vollbracht hatte, sondern dazu noch fast sicher
der allererste Versuch auf diesem Gebiet. Nirgendwo in seinem
umfangreichen Gedächtnisspeicher fand sich ein Hinweis darauf,
daß so etwas schon jemals gemacht worden war. Es war
stolz darauf.
    Aber nach dem allen saß es hier gefangen, ein
intellektueller Krüppel, ein philosophischer Schatten seines
früheren Ichs.
    Es konnte jetzt nichts anderes tun als warten und hoffen,
daß, wenn jemand es suchen kam, der Jemand freundlich gesonnen
war. Die Kultur mußte Bescheid wissen. Das Gehirn war sicher,
daß sein Signal funktioniert hatte und irgendwo aufgefangen
worden war. Aber die Idiraner wußten ebenso Bescheid. Es
glaubte nicht, daß sie versuchen würden, einfach
hereinzustürmen, weil auch sie es nicht für eine gute Idee
halten würden, den Dra’Azon gegen sich aufzubringen. Aber
was geschah, wenn die Idiraner einen Weg durch die Stille Barriere
fanden, die Kultur jedoch nicht? Was geschah, wenn die ganze Region
um den Düsteren Golf mittlerweile von Idiranern besetzt war?
Fiel es den Idiranern in die Hände, blieb ihm nur eins zu tun
übrig. Allerdings widerstrebte es ihm nicht nur aus
persönlichen Gründen, sich zu zerstören, es
widerstrebte ihm überhaupt, sich in der Nähe von Schars
Welt zu zerstören, der gleichen Überlegungen wegen, die die
Idiraner daran hindern würden, hereinzustürmen. Aber falls
es auf dem Planeten gefangengenommen wurde, mochte das der letzte
Augenblick sein, in dem ihm die Selbstzerstörung möglich
war. Hatten die Idiraner es erst einmal von dem Planeten weggebracht,
mochten sie auch einen Weg gefunden haben, es an der
Selbstzerstörung zu hindern.
    Vielleicht war es überhaupt falsch gewesen, zu fliehen.
Vielleicht hätte es zusammen mit dem Rest des Schiffes
untergehen und sich all diese Komplikationen und Sorgen ersparen
sollen. Nur war es ihm damals beinahe wie eine vom Himmel gesandte
Fluchtmöglichkeit vorgekommen, sich, als es angegriffen wurde,
so nahe an einem Planeten der Toten wiederzufinden. Es wollte auf
jeden Fall gern weiterleben, aber selbst dann, wenn es voller
Zuversicht gewesen wäre, hätte es eine Verschwendung darin
gesehen, eine so große Chance wegzuwerfen.
    Nun, jetzt ließ sich nichts mehr daran ändern. Es war
hier, und es mußte abwarten. Abwarten und nachdenken. Alle
möglichen Entscheidungen (wenige) und alle

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