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Bedenke Phlebas

Bedenke Phlebas

Titel: Bedenke Phlebas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Tatsache
ablenkte, daß es als Flüchtling hier weilte. Zu Stellen,
die es selbst nicht erreichen konnte, schickte es seinen einzigen
noch übrigen ferngesteuerten Roboter, um zu sehen, was es dort
zu sehen gab.
    Und das alles war gleichzeitig langweilig und furchtbar
deprimierend. Das technologische Niveau der Erbauer des
Kommando-Systems war sehr niedrig gewesen; die Anlagen funktionierten
entweder mechanisch oder elektronisch. Getriebe und Räder,
elektrische Drähte, Supraleiter und Glasfasern; wirklich sehr
primitiv, dachte das Gehirn, und nichts, was möglicherweise sein
Interesse hätte erregen können. Ein Blick durch eine der
Maschinen im Tunnel genügte, um sie alle genau zu kennen –
aus welchem Material sie bestanden, wie sie hergestellt worden waren,
sogar welchem Zweck sie gedient hatten. Da gab es kein Geheimnis,
nichts, um sich damit zu beschäftigen.
    Auch daß all dem die Exaktheit fehlte, fand das Gehirn
beinahe beängstigend. Es betrachtete beispielsweise ein
sorgfältig bearbeitetes Stück Metall oder ein fein
geformtes Plastikteil und wußte, daß diese Dinge für
die Leute oder die Augen der Leute, die das Kommando-System erbaut
hatten, exakt und präzise aussahen, konstruiert innerhalb
geringer Toleranzwerte mit haargenau geraden Linien, perfekten Ecken,
glatten Oberflächen, makellosen rechten Winkeln… und so
weiter. Aber das Gehirn erkannte selbst mit seinen beschädigten
Sensoren die rauhen Kanten, die Primitivität der
zusammengefügten Teile und Komponenten. Sie waren seinerzeit
für jene Leute gut genug gewesen, und zweifellos hatten sie das
wichtigste Kriterium von allen erfüllt; sie hatten
funktioniert…
    Trotzdem waren sie plump, roh, unvollkommen entworfen und
hergestellt. Aus irgendeinem Grund fand das Gehirn das
besorgniserregend.
    Und es würde diese antiken, primitiven, abgenutzten
technischen Einrichtungen benutzen müssen. Es würde
sich mit ihnen verbinden müssen.
    Es hatte die Sache nach bestem Vermögen durchdacht und sich
entschlossen, Pläne für den Fall vorzubereiten, daß
es den Idiranern gelang, jemanden durch die Stille Barriere zu
schleusen, der es entdecken könnte.
    Dann würde es sich bewaffnen und sich ein Versteck schaffen.
Beides hatte eine Beschädigung des Kommando-Systems zur Folge.
Deshalb wollte es erst damit beginnen, wenn es definitiv bedroht
wurde. War es soweit, würde es gezwungen sein, das
Mißvergnügen des Dra’Azon zu riskieren.
    Aber vielleicht kam es gar nicht dazu. Das Gehirn hoffte, es werde
nicht dazu kommen. Das Schmieden von Plänen und das
Ausführen von Plänen war zweierlei. Die Wahrscheinlichkeit
war gering, daß ihm viel Zeit bleiben würde, sich zu
verstecken oder sich zu bewaffnen. Beide Pläne würden
vielleicht durch Improvisationen ergänzt werden müssen,
besonders da es nur über einen einzigen ferngelenkten Roboter
und seine eigenen schlimm verkrüppelten Felder verfügte, um
die Einrichtungen des Systems zu manipulieren.
    Das war besser als nichts. Es war immer noch besser, Probleme zu
haben, als daß der Tod sie alle auslöschte…
    Doch da war ein weiteres Problem, das nicht sofort gelöst
werden mußte, ihm aber eigentlich mehr Sorge bereitete. Es
ließ sich mit der Frage umschreiben: Wer bin ich?
    Seine höheren Funktionen waren gezwungen gewesen, sich
abzuschalten, als es vom vier- in den dreidimensionalen Raum
überwechselte. Die Informationen des Gehirns waren in
binärer Form gespeichert, in Spiralen, die aus Protonen und
Neuronen bestanden. Und Neutronen zerfallen, sowohl außerhalb
eines Kerns als auch außerhalb des Hyperraums (in Protonen,
haha; ohne geeignete Gegenmaßnahmen hätte der
Großteil seines Gedächtnisses gar nicht lange, nachdem es
in das Kommando-System eingedrungen war, aus der ungeheuer
informativen Botschaft ›0000000…‹ bestanden). Deshalb
hatte es sein Primärgedächtnis und seine kognitiven
Funktionen zweckmäßigerweise eingefroren, sie in Felder
gehüllt, die sowohl ihren Zerfall als auch ihre Benutzung
unmöglich machten. An ihrer Stelle arbeitete es mit
Backup-Pikoschaltungen im Realraum und benutzte Realraum-Licht, um
damit zu denken (wie demütigend).
    Es hatte zwar theoretisch immer noch Zugang zu all den
gespeicherten Informationen (obwohl der Prozeß so kompliziert
und so langsam war), und deshalb war dort nicht alles
verloren… Aber das Denken, das Es-selbst-sein war eine
völlig andere Sache. Es war nicht wirklich es selbst. Es war
eine schlechte, abstrahierte Kopie

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