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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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Berührung – trotzdem schauderte es ihn jedes Mal. Das hatte nichts mit Liebe zu tun und das sagte er auch zu Friedrich, der dennoch nicht aufgeben wollte und der ihn immer wieder als »Mondkalb« und als »Spießer« bezeichnete.
    Aber Friedrich wusste auch nicht, dass vor einigen Wochen etwas geschehen war, etwas so Außerordentliches und Beunruhigendes, dass es Johannes selbst gar nicht fassen konnte – er hatte sich verliebt, richtig verliebt!
    Am Anfang hatte er dieses Gefühl gar nicht zu benennen gewusst. Es war dieselbe merkwürdige Anziehungskraft, die er schon bei Friedrich gespürt hatte, und doch war es diesmal anders, es war Zittern und Aufgeregtsein und Freude. Und plötzlich war er eitel geworden, rasierte sich sorgfältig, hatte sogar auf sein Erspartes zurückgegriffen und sich eine neue Hose und ein Jackett gekauft.
    Da war ein Mädchen in den Zug eingestiegen, im Nachbardorf. Ein Mädchen, wie es Johannes bis jetzt noch nicht gesehen hatte! Sie hatte ihn an Bilder erinnert, die er bei Caspar gesehen hatte. Madonnen waren das gewesen, Darstellungen der Jungfrau Maria, mit langen Schwanenhälsen, das zarte Oval des Gesichts eingerahmt von dunklen Locken und diesem innigen Blick aus sanften Augen. Genau so hatte sie ausgesehen. Sie hatte sich beim ersten Mal in dasselbe Abteil gesetzt wie Johannes, schräg gegenüber auf die andere Seite, und er hatte sie die ganze Fahrt über angestarrt, konnte keinen Blick von ihr wenden. Sie hatte es gemerkt, ein paarmal scheu ihren Blick über ihn gleiten lassen und er war ganz rot geworden. Am nächsten Tag war sie in ein anderes Abteil eingestiegen und auch an den folgenden Tagen sah er sie nur kurz am Bahnsteig. Aber sie stieg in Pforzheim aus, wie er, und er hatte sie im Strom der Passanten entschwinden sehen. Leider konnte er ihr nicht folgen, denn er musste zur Arbeit und die Zeit war knapp.
    Verzweifelt hatte er schon erwogen, einen Tag freizunehmen, um herauszufinden, wo sie hinging, aber dann war ihm der Zufall zu Hilfe gekommen. In der Mittagspause, als er zum Kaufhaus Schocken ging, um sich ein neues Oberhemd zu kaufen, hatte er sie gesehen. Sie arbeitete dort, trug den blauen Kittel der Verkäuferinnen und verkaufte Pralinen und Kekse, die sie mit freundlichem Lächeln in Tüten oder Schachteln abpackte und den Kunden überreichte.
    Mit klopfendem Herzen hatte er sie damals beobachtet. Friedrich wäre hingegangen, hätte gleich diesen Zufall genutzt. Hätte etwas gekauft, ein paar Sprüche geklopft, hätte sich gleich mit ihr verabredet – da war sich Johannes sicher. Und er stand blöde guckend hinter einer Säule. Wie angewurzelt stand er da und schlich dann vorsichtig durch die große Eingangstür nach draußen. Seither hatte er sich jeden Tag vorgenommen, sie in der Mittagspause anzusprechen. Aber er brachte es nicht fertig. Er versuchte sich Mut zu machen, hielt jeden Morgen auf dem Weg zum Bahnhof Ausschau nach irgendwelchen Zeichen, einer Art göttlichem Fingerzeig, der ihm signalisierte, heute könne er es wagen.
    Wenn ihm auf der Straße von Wildbad kommend ein Auto entgegenkam ..., das Auto musste hell sein, cremefarben oder so etwas, wenn Frau Bott beim Frühstück heute eine blaue Schürze trug – lauter blödsinniges Zeug dachte er sich so zusammen. Nur eines wagte er nicht, sich Friedrich anzuvertrauen! Irgendeine merkwürdige Scheu hielt ihn zurück.
    Heute endlich wollte er sie ansprechen, er wollte es wagen. Es versprach ein sonniger Frühsommertag zu werden, die Fliederbüsche in Frau Botts schmalem Vorgarten dufteten schon am Morgen, das deutete er als gutes Omen. Heute würde er sie in der Mittagspause ansprechen. Er würde eine Tafel Schokolade kaufen und dabei beiläufig erwähnen, dass er sie schon ein paarmal gesehen hatte. Alles hatte er sich zurechtgelegt. Er fasste den Griff seiner Aktentasche fester. Vielleicht konnte er sie ins Café Wirtz einladen, morgen war Sonntag, da konnte man doch miteinander abends ausgehen und ein Glas Wein trinken. Er würde sie dann nach Hause begleiten. Wenn es so warm blieb, konnten sie bis nach Hofen laufen, sie könnten sich unterhalten und er würde ihr alles Mögliche erzählen, vielleicht auch vom Malen, vom »Taugenichts« – und wer weiß, vielleicht würde sie dann am nächsten Sonntag mit ihm zum Katzenbuckel hinaufgehen! In solchen Träumen verloren bestieg Johannes seinen Zug nach Pforzheim, die Aktentasche immer noch fest umklammert, als wolle er sich selbst seine wilde

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