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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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fort von diesem Bild und diesem Rufen.
    Er rannte zurück auf den Pfad, wieder schnellten die Zweige gegen sein Gesicht, seine Arme. Er schien gar nicht vorwärts zu kommen. Die Kassette, die er immer noch gegen seine Brust gedrückt hielt, war plötzlich tonnenschwer. Sie mussten ihn doch einholen, so langsam, wie er sich bewegte. Seine Beine schienen festzustecken im Waldboden. Aber niemand folgte ihm.
    Er hörte nur das stärker werdende Rauschen des Windes und ganz von ferne Donnergrollen. Der Himmel über den Baumwipfeln hatte sich schwarz gefärbt. Dennoch rannte er weiter, ziellos, immer weiter, fort von den Bildern, der Gewissheit, dem Schmerz.
    Es war stockdunkel, als er in die Wildbader Straße einbog. Im breiten Schein der Straßenlampe lag friedlich das Häuschen der Witwe Bott, an der rechten Seite hing der halb verfallene alte Kuhstall, der wie betrunken an der Hauswand lehnte. Dort, unter der Dachschräge, war das Licht schon gelöscht, Eugen schlief sicher längst dem Sonntag entgegen, einer von vielen mit Hilde und Fußballspiel auf dem Sportplatz, einem Bier im »Anker« und abends Tanz im Café Wirtz. In diesem Moment hasste Johannes solche Menschen wie Eugen Rentschler, deren Wünsche nur ihre eigene kleine Welt umschlossen und bei denen alles glatt zu laufen schien.
    Er schleppte sich müde die wenigen Meter bis zur Haustür. Tropfnass war er, der Regen hatte Abkühlung gebracht und er zitterte vor Kälte und Erschöpfung. Er wusste gar nicht mehr, wohin er gelaufen war, irgendwann hatte er sich zwischen einige umgesägte Baumstämme gelegt und war einfach eingeschlafen. Die Jacke war voller Harz und seine Haare klebten, aber das war ihm egal. Er hatte nach Hause gefunden, war wie ein Automat durch die immer dunkler werdende Nacht getappt, und jetzt wollte er nur noch in die schützende Höhle seines Bettes, wollte sich verkriechen und weiterschlafen.
    Dann sah er ihn!
    Auf den Stufen der kleinen Treppe, die zum Eingang führte, saß Friedrich. In Johannes formten sich plötzlich vertraute Bilder – Friedrich, der auf ihn wartete, Friedrich auf der Treppe der »Sonne«, Friedrich, sein Beschützer, sein Freund.
    Langsam stand Friedrich auf. »Johannes, wir müssen reden ... Es tut mir alles so leid, Johannes ...«
    Friedrich trat einen Schritt auf ihn zu, es schien fast, als wolle er ihn umarmen.
    Johannes hob den Kopf und sah dem Freund in die Augen. Er merkte, dass Friedrich erschrak, es bereitete ihm richtig Freude zu sehen, wie er erschrak. Hatte er den Hass in seinen Augen wahrgenommen? Hatte er nicht gewusst, dass auch Johannes hassen konnte, genauso wie er? Er verschränkte die Arme über der Kassette, die er wie einen Schutzschild vor seine Brust hielt.
    »Was gibt es denn hier noch zu reden? Ich habe genug gesehen!«
    »Johannes, ich weiß, dass das schlecht war, ganz schlecht. Ich kann es mir selbst nicht erklären. Es ist ... es ist über mich gekommen. Ja, ich habe sie begehrt, ich wollte sie haben! Ich dachte nicht ... ich dachte überhaupt nichts. Aber ich habe Schluss gemacht, heute! Es ist zu Ende. Bitte, Johannes, hau mir ein paar runter, komm, schlag mich ... tu irgendwas – aber schau mich nicht so an.« Friedrich hatte die Arme ausgebreitet, als wolle er so demonstrieren, dass er sich nicht wehren würde.
    »Du hast Schluss gemacht, weil du Lisbeth Dederer heiraten wirst. Sonst wäre das alles so weitergegangen. Was heißt denn das eigentlich: ›Ich hab nichts gedacht‹? Verlogener Dreckskerl! An deinem ganzen Gerede ist nur ein Satz wahr: Dass du sie haben wolltest! Und jetzt willst du Lisbeth haben und ihr Vermögen.«
    »Ja, das gebe ich zu. Ich will mich nicht besser machen, als ich bin, Johannes. Aber das mit Marie ... sie hat es mir wirklich angetan, weißt du. Das war keine Laune, das war nicht so wie bei den anderen. Wir haben beide den Kopf verloren! Aber es ist jetzt zu Ende. Bitte verzeih mir und Marie! Es geht nicht so schnell, das weiß ich, aber im Laufe der Zeit ... Und das mit Lisbeth – sie mag mich und ich will ihr ein guter Ehemann sein. Es ist doch auch für dich, Johannes. Weißt du noch, was ich immer gesagt habe ...?«
    Friedrich senkte die Stimme. Er suchte Johannes’ Blick, ganz furchtsam wirkte er auf einmal, wie ein Kind, das man bei verbotenen Spielen ertappt hatte und das nun um Vergebung bat.
    Er bettelt wie ein Hund, dachte Johannes auf einmal, so habe ich ihn noch nie erlebt.
    »Ich nehm dich mit, Johannes«, hörte er Friedrich plötzlich

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