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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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hereinschicken?«
    Friedrichs Blick streifte die Silberplatten, den Sektkühler und die Champagnerflaschen. »Nein, ich komme nach draußen.«
    Mutterers Anton war einer seiner Leute, die oben am Eiberg mit Holzfällerarbeiten beschäftigt waren. Er hatte eigentlich schon Feierabend, was wollte er hier? Und warum war der Feldjäger dabei?
    Anton schien ganz aufgelöst, er atmete stoßweise und musste sich sogar am Türrahmen festhalten. »Den ganzen Weg bin ich gerannt, Chef«, sagte er ohne Begrüßung. »Und als ich unterwegs den Pfeifer getroffen habe, war ich richtig froh und hab ihn gleich mitgebracht.«
    »Los, red schon, Anton!«, fuhr ihn Friedrich unwirsch an.
    In abgerissenen Sätzen und etwas unzusammenhängend berichtete Mutterers Anton dann, dass er vor ungefähr einer Stunde an der Waldhütte vorbeigekommen sei, die der selige Herr Dederer gebaut hatte und wo jetzt das Werkzeug und die Sägen –
    Ungeduldig winkte Friedrich ab. »Das weiß ich selber! Was ist mit der Hütte?«
    Er, Anton, habe doch den Schlüssel, und weil man am nächsten Tag in der Nähe einige Lärchen schlagen wollte, sei es ihm in den Sinn gekommen, kurz die Hütte zu inspizieren, ob alles dafür Nötige auch da sei. Aber dann habe er gleich gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war, denn die Tür sei aufgebrochen gewesen, mit roher Gewalt, ganz schief habe sie in den Angeln gehangen. Vorsichtig habe er hineingeschaut und dann, dann habe er es gesehen!
    »Was hast du gesehen?« Friedrich beschlich plötzlich eine böse Vorahnung. »Anton, was fehlt in der Hütte?!«
    »Das Dynamit, Chef. Alle drei Kisten mit den Sprengkapseln sind fort! Letzte Nacht müssen es die Lumpen gestohlen haben, denn gestern war noch alles da.« Geradezu genüsslich kostete Anton den Höhepunkt seines Berichtes aus. »Wenn das in unrechte Hände fällt!«
    »Das ist es schon, Anton, das ist es schon. In rechte Hände wird’s wohl kaum gekommen sein«, unterbrach der Feldjäger Pfeifer das drückende Schweigen, das sich nach Antons schicksalsschwerer Meldung kurzzeitig über die drei Männer gesenkt hatte. »Sie werden sicher Anzeige erstatten wollen, Herr Weckerlin. Drei Kisten Dynamit, das ist kein Pappenstiel! Haben Sie eventuell einen Verdacht, wer das getan haben könnte?«
    Friedrich stand wie betäubt. Das Dynamit gestohlen! Dieser gottverdammte Idiot! Dieser Idiot und seine nicht minder schwachsinnigen Kameraden, Genossen nannten sie sich ja. Er sah ihn vor sich, Jahre zuvor, wie er ausgiebig von diesem Paule geschwärmt hatte und von der Revolution und dass man ein Zeichen setzen müsse – und er sah sich und Johannes in der Stadtmühle sitzen und hörte sich erzählen: »Der Dederer hat doch eine alte Jagdhütte, die er jetzt nicht mehr benutzt. Jetzt liegen Äxte drin und Sägen und Beile und, stell dir vor, Sprengstoff – richtiger Sprengstoff, Dynamit! Die Arbeiter haben es mir erzählt. Man sprengt die Baumstümpfe damit. Was sagst du dazu? Ganz schön gefährlich ist das.« Und Johannes hatte gelacht und gemeint, dass er ab jetzt besser einen großen Bogen um die Hütte machen werde, vielleicht fliege sie ja eines Tages in die Luft. So einfach ginge das nicht, hatte ihm Friedrich damals erklärt. Das Zünden sei recht kompliziert, hätten ihm die Leute beim Dederer erzählt. Und er hatte Johannes genau dargelegt, wie man das Dynamit zur Explosion brachte.
    Plötzlich merkte Friedrich, wie ihn Anton und der Feldjäger neugierig anstarrten. Wahrscheinlich sah man ihm seine Bestürzung an. »Oh ja, Pfeifer, ich habe einen Verdacht! Ich habe sogar eine Vermutung, wo das Dynamit versteckt sein könnte.«

38
     
    Johannes lehnte seinen Kopf gegen den Stamm des jungen Zwetschgenbaumes, den er gleich nach ihrem Einzug im hinteren Teil des Gartens gepflanzt hatte, zusammen mit den in Reih und Glied gesetzten Äpfel- und Birnenbäumen. Er war müde, so unendlich müde, dennoch konnte er nicht schlafen. Eine noch nie da gewesene Unruhe hatte sich seiner bemächtigt, das Herz schlug laut und unregelmäßig, im ganzen Körper spürte er dieses ungestüme Klopfen.
    Ob er krank sei, hatte ihn Marie gefragt, als er am frühen Nachmittag von der Arbeit nach Hause gekommen war. Am Samstag arbeitete man in der Goldschmiedefabrik Armbruster nicht so lange und hätte ihn nicht der schrille Ruf der Sirene erlöst, wäre er früher heimgegangen. Er hatte heute nichts Vernünftiges zustande gebracht und mit dem Malen wurde es auch nichts. Er starrte auf die vor

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