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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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gekommen. Er war gut geworden, aber es mussten noch einige Änderungen vorgenommen werden. Das Haus musste noch repräsentativer werden. Damit wollte er die Villen vom Zinser und vom Tournier übertreffen. Villa Weckerlin! Und er wollte sie am äußersten Ortsrand von Grunbach bauen, sodass er den Ortskern gar nicht mehr zu sehen brauchte, den Ortskern mit der Kirche, dem Lindenplatz und vor allem der verhassten Stadtmühle.
    Lisbeth maulte zwar, sie wollte das elterliche Haus nicht aufgeben und das neue würde viel zu teuer. Aber sie würde sich letztlich fügen, wie immer. Sollte er am Ende in einem Dederer-Museum leben, in dem nichts geändert werden durfte?
    Er goss sich noch einmal ein und betrachtete nachdenklich die kleinen Bläschen, die im Glas hochstiegen. Prost, Friedrich, dachte er. Hast alle deine Träume wahr gemacht – fast alle. Hast es weit gebracht für einen aus der Stadtmühle. Wenn das Vater noch erlebt hätte! Vor einiger Zeit hatte er sogar ernsthaft erwogen, das ehemalige Wohnhaus der Weckerlins in der Herrengasse zurückzukaufen. Die Bodamer-Tochter wohnte immer noch dort. Und noch immer blühten im Sommer die Geranien in den Kübeln vor der Haustür. Aber er hatte den Gedanken wieder verworfen. Was wollte er jetzt damit? Es war zu eng geworden. Das Weckerlin-Haus und die Herrengasse, ganz Grunbach war zu eng.
    Wenn nur Mutter sich entschließen könnte, bei ihnen zu wohnen! Aber sie hatte sich kategorisch geweigert. »Die Schwiegermutter im Haus, das möchte ich Lisbeth nicht antun«, hatte sie stets gesagt und lebte jetzt in einer kleinen, aber sehr schön eingerichteten Wohnung in einem Haus direkt neben der Kirche. Er kannte allerdings den tieferen Grund. Sie missbilligte seine Ehe mit Lisbeth Dederer. Das hatte sie ihm am Abend vor der Hochzeit unmissverständlich zu verstehen gegeben. »Du heiratest sie bloß des Geldes wegen, Friedrich. Ich bin so stolz auf dich, wie eine Mutter nur sein kann, aber das ...« Sie hatte den Satz nicht vollendet, doch Mutters stummer Vorwurf, den er damals zum ersten Mal empfunden hatte und den er immer wieder spürte, wenn sie ihn nur ansah, war wie ein giftiger Stachel in seinem Fleisch. Das, dachte er und trank auch das zweite Glas in einem Zug aus, das und – das andere.
    Das andere, das war diese lächerliche kleine Klitsche, die sich Johannes drüben am Fuß des Eibergs zusammengezimmert hatte. Was wollte Johannes damit eigentlich beweisen?
    Das andere, das waren Johannes, Marie und vor allem der Junge. Das war der Schmerz um die zerbrochene Freundschaft, die Trauer über eine verratene Liebe und eine Sehnsucht, die er nicht unterdrücken konnte. Er hatte einen Sohn, den er nicht in den Arm nehmen durfte, für den er ein Fremder war. Sein Haus, die Weckerlin-Villa, würde nicht weit davon entfernt an der anderen Seite des Bergrückens stehen. Er konnte wahrscheinlich sogar den Kamin dieses jämmerlichen Häuschens erkennen. Vielleicht konnte er den Buben dann wenigstens sehen, wenn er drüben am Eiberg wohnte, war nicht mehr auf Gretls und Lenes Erzählungen angewiesen.
    Der Junge und Johannes, das schmerzte, das war der zweite tiefe Stachel. Alles andere konnte er sich kaufen, sogar gelegentlich Liebe, aber in diesem Falle war er machtlos.
    Mitten in seine Überlegungen hinein fuhr jäh das Scheppern der Türglocke, dass er fast das Sektglas fallen ließ. Er sah auf die Uhr, die Gäste konnten das noch nicht sein! Er hörte Stimmen an der Haustür, dann klopfte es und Gretl trat ein. Sie trug schon das schwarze Kleid mit der weißen Spitzenschürze, das er ihr für offizielle Anlässe gekauft hatte. So hübsch wie ihre Mutter einst war sie nicht geworden, das Gesicht war zu breit und Lenes goldblonde Locken hatte sie leider auch nicht geerbt, das dicke aschblonde Haar hatte sie einfach im Nacken zusammengebunden. Aber sie hatte eine hübsche Figur und vor allem ein so freundliches Wesen, dass er sie gerne um sich hatte. Und sie erinnerte ihn an die Stadtmühle und dass er es geschafft hatte, diese ein für alle Mal hinter sich zu lassen, seltsamerweise schien es ihm manchmal, als gehörte Gretl ihm wie das Auto, seine Uhr; sie war ein selbstverständlicher Teil seines Lebens geworden!
    »Entschuldigen Sie die Störung, Herr Weckerlin.« Auf der förmlichen Anrede in der Öffentlichkeit hatte er bestanden. Er nickte ihr zu und sie fuhr fort: »Der Feldjäger und Mutterers Anton wollen Sie sprechen. Es sei wichtig. Soll ich sie

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