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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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explodieren, obwohl Johannes ihnen immer wieder versicherte, dass das Zünden des Sprengstoffs kompliziert sei. Ganz wohl war ihm trotzdem nicht, auch weil mit jedem Schritt, dem er diesem verhassten Platz näher kam, sich bestimmte Fragen immer mehr aufgedrängt hatten.
    Warum tat er das? War das wirklich nur um Paules, um der Genossen willen? Warum gerade dieser Ort als Versteck? Wollte er es Friedrich heimzahlen? Aber auf was für eine absurde Art und Weise führte er diese Rache aus? Rache wofür? Friedrich würde wissen, dass er an der Sache beteiligt war. Friedrich würde ihn ruinieren – das Haus, Marie, die Kinder! Was würde mit ihnen geschehen, wenn er im Gefängnis saß? Oder war es etwas anderes? Wollte er Friedrich auf die Probe stellen? Wenn sie kommen und mich holen, hat mich Friedrich zum zweiten Mal verraten, dachte er.
    Die ganze Nacht, auf dem Rückweg, in den Stunden, in denen er sich bis zum Morgengrauen schlaflos neben Marie gewälzt hatte, war ihm dieser Gedanke immer wieder durch den Kopf geschossen. Würde ihn Friedrich verraten?
    Er hörte plötzlich das Quietschen der Gartentür. Schritte näherten sich, dann drang die helle Stimme von Georg an sein Ohr: »Papa, Papa, wir sind wieder da!« Dazwischen krähte die kleine Anna. Seine Familie war wieder da. Er richtete sich auf und wischte sich über die Augen. Marie sollte sich keine Sorgen machen.
    »Ich bin hinter dem Haus«, rief er und schon hing Georg an seinem Hals und Anna trippelte an Maries Hand auf ihn zu. Sie sah müde aus, wahrscheinlich hatte ihr ihre Mutter wieder zugesetzt; diese zänkische, alte Vettel, der es niemand recht machen konnte.
    »Es geht dir wieder besser, wie’s scheint.« Marie setzte Anna auf die Bank und nahm das Bild in die Hand. »Und du malst, das ist ein gutes Zeichen!«
    Johannes wollte einwenden, dass er seit einiger Zeit keinen Strich mehr an dem Bild gezeichnet hatte, aber warum sie auch noch mit diesen Sorgen belasten, die sie doch nicht verstehen konnte? Er wollte gerade fragen, wie es gewesen sei, ob die Mutter wieder sehr zänkisch gewesen sei, aber in diesem Moment hörte man wieder das Quietschen der Gartentür! Es waren diesmal keine leichten Kinderfüße, schwere Schritte näherten sich der Haustür und dann hörte man ein energisches Klopfen. Johannes erhob sich ganz langsam, er hielt immer noch Georg auf dem Arm.
    In diesem Moment wusste Johannes, dass Friedrich Weckerlin ihn zum zweiten Mal verraten hatte. Das Klopfen wiederholte sich, man hörte Stimmen, dann kamen Schritte näher. Auch Marie erhob sich von der Bank, sie war blass und griff nach Johannes’ Arm. »Wer kann das nur sein, Johannes?«
    Plötzlich standen sie da, standen hinter dem Haus vor der selbst gezimmerten Gartenbank unter dem Zwetschgenbaum, eingehüllt in das warme Sonnenlicht eines Spätsommernachmittags, eines Nachmittags im September 1929. Es waren drei Männer, Johannes erkannte den Feldjäger Pfeifer und den Ortspolizisten Maier, der entfernt verwandt mit dem Genossen Oskar war. Den anderen, einen jüngeren Mann, ebenfalls in Polizeiuniform, hatte man wohl zur Verstärkung mitgebracht. Gleich drei Männer, als ob ich so gefährlich wäre!
    Johannes ließ vorsichtig Georg zu Boden und schob ihn hinüber zu Marie. Absurderweise kam ihm in diesem Moment in den Sinn, dass er nachher noch hinaufwollte zum Katzenbuckel, um Brombeeren zu ernten, sie brauchten doch jeden Pfennig.
    Der Feldjäger Pfeifer klang heiser, er musste sich mehrere Male räuspern, dann verkündete er, wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« müsse er Johannes Helmbrecht verhaften.
    »Widerstand ist zwecklos! Packen Sie sich ein paar Sachen zusammen. Sie werden jetzt mit Ihren Komplizen in die Kreisstadt überstellt.« Er sagte tatsächlich Komplizen!
    »Worauf gründet sich Ihr Verdacht?« Johannes wunderte sich selber, dass er so ruhig blieb. Neben ihm stand immer noch Marie, zur Salzsäule erstarrt.
    Man habe Geständnisse, antwortete Pfeifer. Sie hatten es schlau angestellt. Beim Jüngsten, beim Maier Oskar, hatten sie angefangen mit dem Verhör, und der war nach kurzer Zeit zusammengebrochen. Wahrscheinlich unter dem ernsten Zureden seines Verwandten. Zu ihm, Johannes Helmbrecht, als »härtestem Brocken« waren sie zuletzt gekommen.
    »Leugnen ist also zwecklos«, sagte Pfeifer lakonisch. »Außerdem haben wir den Sprengstoff gefunden, genau dort, wo der Herr Weckerlin ihn vermutet hat!«
    Der Herr Weckerlin – also doch! Dann begann Marie

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