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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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Brombeermarmelade kochen. Er sah den Topf mit dem rötlich schwarzen Beerenbrei förmlich vor sich, süßlich-aromatisch hing der Duft in der Küche und die Kinder saßen erwartungsvoll am Tisch, jedes mit einem Stück Butterbrot vor sich. Die Mutter würde nachher ein kleines Schälchen extra für sie füllen, bevor die Marmelade in die sorgfältig ausgespülten Gläser kam. Diese erste Kostprobe war immer die beste, darin waren sich die beiden einig, der ganze Duft des Sommers sei noch darin, sagten sie immer. Die Kinder ... – lieber nicht daran denken, vor allem nicht an Georgs Gesicht und diesen Blick.
    Er ging entschlossen weiter, blieb aber überrascht stehen. Vor Kurzem hatte man oberhalb der Auwiese eine Bank aufgestellt, von der aus man einen weiten Blick über die Höhenzüge des Schwarzwalds hatte. Jetzt saß darauf eine Frau. Auf den ersten Blick hatte er gedacht, es sei Marie, und für diesen winzigen Bruchteil schien die Zeit aufgehoben! Aber dann sah er, dass die Frau hellere Haare hatte, die modisch kürzer geschnitten und in Wellen um ihren Kopf gelegt waren, wie es jetzt wohl Mode war. Sie trug ein helles Sommerkleid aus einem weichen, fließenden Stoff, das sehr elegant wirkte. Sie saß fast unbeweglich da und er überlegte schon, wie er an ihr vorbeigehen sollte, ohne sie zu erschrecken, aber sie schien etwas gehört zu haben, denn ruckartig drehte sie den Kopf herum. Er erkannte sie sofort. Es war Emma, Emma Weckerlin oder vielmehr Löwenstein, wie sie jetzt hieß.
    Sie sprang auf und ging rasch ein paar Schritte auf ihn zu.
    »Johannes! Du bist es. Aber das hätte ich mir ja denken können. Wie schön!« Sie blieb stehen. Johannes wusste, warum. Sie wusste nicht, wie er sich verhalten würde. Seit dem Bruch mit Friedrich hatten sie sich ein paarmal getroffen und sie hatte ohne Erfolg versucht, eine Versöhnung herbeizuführen. Dann aber hatten sie sich nur noch gelegentlich auf der Straße gesehen und schließlich war der Kontakt ganz abgerissen. Friedrich war immerhin ihr Bruder. Fünfzehn lange Jahre ist das her, dachte er plötzlich ganz wehmütig. Fünfzehn Jahre – und er sah sie vor sich, wie sie damals in der Küche der Weckerlins gestanden und ihn trotzig angeschaut hatte: »Sie hat dich gar nicht verdient, Johannes!«
    Aus dem Zopfmädchen von damals war eine Frau geworden, eine hübsche, anmutige Frau, die ihn fragend und etwas beklommen ansah. Er streckte ihr die Rechte entgegen und sagte mit fester Stimme: »Grüß Gott, Emma! Ich freue mich, dich zu sehen.«
    Sie schien sichtbar erleichtert, denn sie trat die letzten Schritte schnell auf ihn zu und drückte ihm geradezu überschwänglich die Hand. »Ich bin so froh, dass du mir nichts nachträgst. Wir haben seit der dummen Geschichte nie mehr richtig miteinander gesprochen.«
    Die dumme Geschichte – Johannes konnte ein sarkastisches Lächeln nicht unterdrücken. Das war typisch Emma. Aber er mochte sie, trotz allem, was passiert war. Sie war damals ein junges, unbedarftes Ding gewesen. Etwas vom Schalk, vom Übermut, der so charakteristisch für sie gewesen war, blitzte jetzt wieder in ihren Augen auf: »Johannes auf Beerensuche am Katzenbuckel, ganz wie in alten Zeiten. Wie ich mich freue!«
    Es klang warm und herzlich und sie meinte es wohl auch so, trotzdem spürte Johannes einen feinen Stich. Johannes auf Beerensuche, der gute alte Johannes ... Aber er bezwang dieses Gefühl und erkundigte sich, wie es ihr gehe. Plötzlich veränderte sich ihr Gesicht, sie schien auf einmal viel älter zu sein und sehr müde. Johannes biss sich auf die Zunge. Was für ein Trottel er war. Solch eine Frage zu stellen. Sie standen sich im warmen Licht der Septembersonne gegenüber, aber plötzlich lag ein kalter Schatten auf ihnen.
    »Wie soll es mir schon gehen, Johannes?«, sagte sie gepresst. »Schlecht, sehr schlecht.« Sie schluckte ein paarmal, bevor sie weiterredete. »Seit dem April ’33 leben wir in ständiger Angst. Damals hat es angefangen. Ein paar demolierte Fenster nur, weiter nichts. Aber dann ging es Schlag auf Schlag.«
    Johannes deutete auf die Bank. »Wollen wir uns nicht setzen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne ein Stück mit dir gehen. Ich muss laufen, in Bewegung sein, sonst werde ich verrückt. Als ich mich vorhin auf die Bank gesetzt habe, sind alle Bilder gleich wieder auf mich eingestürmt. Und alle Ängste!«
    Sie betraten die staubige Fahrstraße, die von tiefen Furchen

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