Beerensommer
wurde Frau Caspar als Vorsitzende der NS-Frauenschaft gewählt, das war doch eine gewisse Genugtuung und sie lud in den nächsten Jahren die Grunbacher Frauen unermüdlich zu Strick-, Bastel- und Singabenden ein.
Im Sommer 1933 hatte Richard Caspar junior dann plötzlich im Kontor des Sägewerks Dederer & Söhne gestanden. Hatte dagestanden in der geduckten, unterwürfigen Haltung, die man in ihn hineingeprügelt hatte, knetete unablässig seinen Filzhut – er war sehr korrekt im schwarzen Anzug mit Hut gekommen, obwohl es sehr heiß war – und erklärte stockend, er habe gehört, dass der Herr Direktor Weckerlin einen Buchhalter suche, und er wolle sich bewerben. Hier seien seine Zeugnisse und im Übrigen vertraue er darauf, dass der Herr Direktor, der die »Bewegung« doch so großzügig unterstütze, einem aktiven Nationalsozialisten den Vorzug geben werde. Seine Gesinnung sei rein und lauter und er wolle sich unermüdlich für das Wohl der Firma Dederer einsetzen, so wie er auch für die Sache »unseres geliebten Führers« vorbehaltlos eintrete, und so war es endlos weitergegangen.
Aha, daher weht der Wind, hatte Friedrich belustigt gedacht. Er suchte tatsächlich einen Buchhalter, hatte auch eine Annonce aufgegeben und zahlreiche Bewerbungen waren schon eingegangen. Normalerweise hätten diese Anspielungen, die Caspar vorbrachte, ihm jede Chance für eine Einstellung verbaut, aber irgendwie belustigte Friedrich das Ganze. Der Sohn des Herrn Oberlehrers als Angestellter bei ihm, das war doch ein Spaß! Er hatte ihn tatsächlich, ohne lange darüber nachzudenken, eingestellt. Und er hatte es nicht bereut. Tüchtig und fleißig war er und der Firma treu ergeben, da gab es keinen Zweifel, und Friedrich zog stets eine gewisse Befriedigung aus ihren Besprechungen, wie jetzt gerade. Allerdings gingen ihm Caspars politische Anspielungen auf die Nerven, besonders die Tatsache, dass er im Gespräch unter vier Augen in letzter Zeit eine gewisse Vertraulichkeit an den Tag legte, sozusagen von Parteigenosse zu Parteigenosse redete.
Er sei nicht in der Partei, erklärte er ihm darauf stets, und er habe auch nicht die Absicht einzutreten, worauf Caspar zu behaupten pflegte, das komme schon noch, bei all den Verdiensten, die er sich erworben habe.
Er hatte in diesem Moment gerade wieder angefangen, einige Zahlen ausführlich darzulegen, die sich auf Spenden Friedrichs für die Einkleidung der Hitlerjungen aus ärmeren Familien bezogen, als Friedrich ihn ungeduldig unterbrach: »Schon gut, Caspar. Keine Details. Dafür habe ich Sie. Sieht alles gut aus.«
Er machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand, die unmissverständlich erkennen ließ, dass von seiner Seite die Besprechung nun zu Ende sei. Aber Caspar blieb stehen.
»Caspar, was gibt es denn noch?« Friedrich fixierte scharf seinen Buchhalter, der es vermied, ihn direkt anzusehen, und stattdessen auf die verschlungenen Ornamente des Teppichs starrte. »Verzeihen Sie, Herr Direktor, aber ein Wort von Parteigenosse zu Parteigenosse.«
Friedrich verdrehte die Augen. Kapierte es der Kerl denn nie? Wenn er so weitermachte, würde er ihn doch noch hinausschmeißen müssen.
Caspar schien in der Zwischenzeit Mut geschöpft zu haben, denn er richtete seinen Blick jetzt wieder auf Friedrich. »Der Herr Reichsstatthalter Murr wird sich im nächsten Monat sicher wieder zur Jagd einfinden ...«, sagte er zusammenhangslos.
»Anzunehmen.« Friedrich war erstaunt. Was sollte das?
»Nun, der Herr Reichsstatthalter ist ja immer sehr gerne zu Gast beim Herrn Direktor. Er schätzt Ihre Gesellschaften sehr!«
Und meinen Rotwein und meine Zigarren, fügte Friedrich im Stillen hinzu. Teuer genug, diese Besuche, und dann all die Kisten mit Präsenten, die regelmäßig nach Stuttgart gingen. Aber man musste die Herren bei Laune halten, jetzt mehr als zuvor.
»Nun, Herr Direktor, ich sage es ungern, aber ist es nicht ein bisschen – ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll –, ist es nicht ein bisschen gewagt, den Herrn Reichsstatthalter unter einem Dach mit ..., ich meine, jetzt wo Ihre Frau Schwester und Ihre Nichte seit fast einem Jahr zu Besuch hier sind.«
Caspar beendete den Satz nicht. Er trat unwillkürlich einen Schritt zurück und duckte sich förmlich unter dem zornsprühenden Blick, der ihn traf. Friedrich hatte sich ruckartig erhoben. »Wollen Sie mir drohen, Caspar?«
»Aber Herr Direktor, ich bitte Sie!« Caspars Augen irrten wieder über die Muster des
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