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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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Teppichs. »Es ist ... es ist nur die Sorge, ich meine, wenn der Herr Reichsstatthalter davon erfährt – und im Interesse Ihrer Familie.«
    »Die Interessen meiner Familie sind bei mir am besten aufgehoben.« Friedrich kochte innerlich, aber er bemühte sich, nach außen hin ganz ruhig zu bleiben. Nur die Hände umklammerten fest die Lehnen seines Schreibtischsessels, auf den er sich wieder hatte zurückfallen lassen, denn seine Knie zitterten auf einmal. Diese Ratte wagte es, ihm zu drohen!
    Caspar hatte Emma und vor allem auch Aurelie kaum gesehen, vielleicht einmal aus der Ferne bei einem ihrer Spaziergänge. Sie lebten aus nahe liegenden Gründen sehr zurückgezogen. An der letzten Weihnachtsfeier, die im Salon der Villa stattfand, hatte Emma nicht teilgenommen. »Wenn du glaubst, dass ich mit dem Nazi und seiner Obernazisse an einem Tisch sitze, dann hast du dich aber getäuscht!« Natürlich wusste man im Dorf Bescheid. Aber er vertraute auf seinen Namen, sein Geld und die vielen Geschenke, die er nach Stuttgart schickte. Diesen Murr, den hatte er doch in der Hand, er schmeichelte ihm, stopfte ihm den Wanst voll mit Gänseleberpastete und Burgunder. Und jetzt kam diese miese Ratte daher und drohte ihm! Scharf beobachtete Friedrich sein Gegenüber – dieser flackernde Blick, diese gekrümmte Haltung, er schien förmlich zu schrumpfen. Und so einer wagte es, sich mit ihm, Friedrich Weckerlin, anzulegen! Oder war das alles auf seine ideologische Verblendung zurückzuführen, diesen tief sitzenden Rassenwahn, der in dieser Familie erblich zu sein schien?
    Auf jeden Fall würde er kein Risiko eingehen. Er musste diesen Caspar behalten, so lange, bis – ja, wie lange eigentlich?, dachte er auf einmal. Wie lange soll das gehen, dieser ganze Wahnsinn? Hitler hatte doch alles erreicht, was er wollte. Der Schandvertrag war weg, Deutschlands Schuld getilgt, mehr noch, glänzend stand das Deutsche Reich da, Österreich, das Sudetenland – Hitler hatte doch alles, was er wollte! Und doch, »es liegt Krieg in der Luft«, hatte Hobelsberger bei ihrem letzten Treffen gesagt und Friedrich hatte widersprochen. »Er hat doch jetzt alles – das mit der Resttschechei war ein gewagtes Stück, aber die Engländer haben nachgegeben, was will er denn noch?«
    Hobelsberger hatte die Stimme gesenkt und zwei Worte geflüstert: »Polen und ...«
    »Und?«, hatte Friedrich zurückgefragt.
    Aber Hobelsberger hatte nur mit den Schultern gezuckt und sich lächelnd zurückgelehnt. Sie saßen im Kasino in Baden-Baden, im Hintergrund hatte die Kapelle die neuesten Filmschlager gespielt, schöne Frauen in langen, fließenden Kleidern und elegant gekleidete Herren im Smoking waren leise lachend vorübergegangen, das Aroma feiner Zigarren hing in der Luft und man hörte rauschendes Stimmengewirr und Gläserklirren. Hobelsberger hatte die ganze Zeit gelächelt und schließlich gesagt: »Lesen Sie ›Mein Kampf‹. Interessante Lektüre!«
    »Aber die Engländer«, hatte Friedrich entgegnet, »und die Franzosen? Polen – das bedeutet Krieg!«
    Ja, Krieg lag in der Luft, in der warmen, flirrenden Luft dieses Sommers 1939. Und Siegfried hockte in Paris, zwischen tausenden von Emigranten, die wie er um ihre Existenz kämpften, tagtäglich.
    »Wer braucht schon einen deutschen Anwalt, der kein Wort Französisch spricht?«, hatte er völlig entmutigt im letzten Brief geschrieben. Und Friedrich schickte Geld, immer wieder Geld, er hatte Gott sei Dank gute Kanäle, ein Holzhändler in Kehl, einer in Straßburg. Die Briefe wurden immer verzweifelter, Siegfried sehnte sich nach Frau und Kind, »dazu der Verlust der Heimat, manchmal ist der Schmerz unerträglich. Und dieser Hitler sitzt fester denn je im Sattel. Ich habe fast gar keine Hoffnung mehr.«
    »Ich muss zu Siegfried!«, sagte Emma jedes Mal, wenn ein neuer Brief kam, aber Friedrich erwiderte dann nur: »Er kann sich selbst kaum über Wasser halten! Was will er mit dir und Aurelie? Ihr wärt ihm nur eine Last. Nein, ihr bleibt hier! Hier seid ihr sicher.«
    Und jetzt drohte ihm diese kleine Ratte Caspar! »Gehen Sie jetzt, Caspar«, sagte Friedrich herrisch, »und zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über Dinge, die Sie nicht betreffen.«
    Er sei doch nur in Sorge, seine Verbundenheit mit der Firma, mit der Familie, immerhin – eine Halbjüdin als Nichte ... Die dünne, ausdruckslose Stimme verlor sich im großen holzgetäfelten Arbeitszimmer der Villa, wohin ihn Friedrich bestellt hatte, denn

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