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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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auch prüfen!«
    »Prüfen?«
    »Ja, ob ich so etwas zustande bekomme. Er will mir nämlich helfen, hat er gesagt. ›Wenn du wirklich Talent hast, Johannes, Talent und Ausdauer und Fleiß, denn das gehört zusammen, dann will ich dir helfen, so gut ich es vermag.‹ Stell dir vor, das hat der Caspar zu mir gesagt!«
    Friedrichs Mund wurde plötzlich ganz trocken. Er fuhr sich mit der Zungenspitze mehrmals über die Lippen, um sie zu befeuchten. Was ist das nur?, dachte er. Eigentlich sollte ich mich für Johannes freuen, stattdessen ... Was ist nur mit mir los? Das kommt wahrscheinlich daher, weil ich dem Caspar nicht traue, diesem Schwein. Das wird es sein, beruhigte er sich. Der Caspar soll sich nur vorsehen!
    »Und womit sollst du malen, und worauf?«, erkundigte er sich und mühte sich vergebens, den ironischen Unterton in seiner Stimme zu unterdrücken.
    »Das ist auch so was!« Friedrich spürte mehr, als dass er es sehen konnte, wie Johannes neben ihm plötzlich strahlte. Vergessen schien die Zukunftsangst, da war auf einmal ein Stück Hoffnung, ein kleines nur, aber es wärmte und machte alles heller, so wie der Lichtstrahl, der von oben auf sie fiel. »Ich darf zu Frau Schwarz und mir Papier und Stifte kaufen. Gutes Papier und gute Stifte, hat er gesagt. Darauf soll ich die Entwürfe zeichnen und die muss ich ihm dann zeigen. Ich darf bei der Frau Schwarz auf seinen Namen anschreiben lassen!«
    Frau Schwarz besaß eines der vielen Kolonialwarengeschäfte in Grunbach. Zu ihr kam die bessere Kundschaft, sie war recht eingebildet und in der Frage des Anschreiben-Lassens ziemlich engherzig. Die Ärmeren drängten sich meistens in dem Geschäft von Luise Gutbrod, das unweit der Stadtmühle lag. Das Fräulein Gutbrod, eine betagte alte Dame, die mit gichtigen Händen sorgsam Mehl und Zucker und Graupen in die braunen Papiertüten füllte, hatte ein weitaus größeres Herz und gewährte oft einige Wochen Zahlungsaufschub, was vor allem im Winter für die Waldarbeiterfamilien lebensnotwendig war.
    »Im Frühjahr krieg ich mein Geld«, pflegte sie oft zu sagen, wenn sie auf ihre Gutmütigkeit angesprochen wurde. »Die Armen zahlen pünktlicher zurück als so manche, die im Taftkleid und mit Federhut herumstolzieren!«
    Also nicht zum Fräulein Gutbrod, sondern sogar zur Frau Schwarz durfte Johannes gehen. Das war sehr nobel vom Herrn Oberlehrer Caspar. Friedrich versuchte die gallenbitteren Gedanken zu unterdrücken, er versuchte aufrichtig, an der Freude des Freundes teilzunehmen. »Das hätte ich von Caspar nie und nimmer gedacht«, presste er schließlich heraus und kickte wütend ein paar kleine Steinchen gegen die schwere Holztür des Sonnen-Kellers. Der Lichtstreif, der von oben herabfiel, schien breiter zu werden. Aber die Jungen standen jeweils auf einer Seite im Dunkeln, als scheuten sie das Licht.
    »Die Ahne sagt oft, dass in jedem Menschen etwas Gutes steckt, man muss es manchmal nur erst aufwecken«, flüsterte Johannes zögernd.
    Am liebsten hätte Friedrich laut gelacht. Altweibergeschwätz, dachte er zornig, warte nur, bis die Schule anfängt und der Caspar wieder prügelt!
    »Wie schön für dich, aber vergiss eines nicht«, Friedrichs Stimme war ganz heiser, »wenn ich Geld habe, sorge ich für dich! Dann schicke ich dich auf diese Schule und ich kaufe dir Papier und Farben.«
    »Wie könnte ich das vergessen!« Johannes drückte für einen kurzen Moment den Arm des Freundes. Dann gingen sie schweigend zur Stadtmühle zurück.

14
     
    Schnee lag über Grunbach, bedeckte die Dächer der Häuser, die unter den weißen Massen wie erdrückt schienen, lag auf der spitzen Haube des Kirchturms, der aussah, als habe er eine weiße Zipfelmütze bekommen. Schneewände türmten sich an den Rändern der Straßen, auf denen nur wenige Menschen vorbeieilten, die Frauen vergruben sich förmlich in ihren wollenen Umschlagtüchern, die sie eng um sich herumgewickelt hatten, und die Männer hatten Mützen und Kappen tief ins Gesicht gezogen, um dem eisigen Wind zu trotzen.
    Es war ein schlimmer Winter am Anfang des Jahres 1913, besonders schlimm für die Armen und noch schlimmer für die Leute in der Stadtmühle, durch deren Ritzen und Fenster der Wind unerbittlich zog. Sogar im Innern des Hauses waren die Wände mit Reif bedeckt.
    Friedrich kauerte im Zimmer neben dem kleinen Kanonenofen, der nur kümmerliche Wärme verbreitete. Er hatte das Bett von Wilhelm ganz nahe herangezogen und seine Decke zusätzlich über

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