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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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einzuwenden?« Der Kerl da war ein unangenehmer Patron, mit dem würde es Schwierigkeiten geben, das spürte er ganz deutlich. Und wie er Lisbeth musterte, mit diesem herausfordernden, unverschämten Blick!
    Lisbeth hatte dann die beiden alleine gelassen und Übele lag sichtlich eine anzügliche Bemerkung auf der Zunge, aber nach einem kurzen Seitenblick auf Friedrich ließ er es sein. Verdrossen hatte er ihm das Sägewerk gezeigt, den Maschinenraum, wo die Sägen gewartet wurden, hatte ihm stolz die große Gattersäge präsentiert und die neuen Förderbänder, auf denen die Holzstämme aus dem Wasser nach oben gezogen wurden.
    Hinter dem Sägewerk befand sich der Stapelplatz mit den fertig zugesägten Brettern und den Balken, unten im gemauerten Erdgeschoss des Sägewerks war der so genannte Sägemehlraum, viele Leiterwagen standen davor und einige Grunbacher schleppten Säcke mit Sägemehl, das sie als Streu für ihre Ställe brauchten.
    Nicht zum ersten Mal atmete Friedrich diesen speziellen Geruch nach Harz, Sägemehl und Maschinenöl, aber nun nahm er ihn ganz bewusst wahr. Etwas anderes drang aber ebenso in sein Bewusstsein: Über diesem Sägewerk lag eine besondere Atmosphäre, die er zunächst gar nicht so richtig zu benennen gewusst hätte – in den ersten Tagen seiner Arbeit wurde es aber immer deutlicher. Vernachlässigung, Verfall, Schlamperei, so konnte man es nennen und es wurde greifbarer bei jedem Verstummen der schrillen Sägen, den trägen Bewegungen der Arbeiter, die oft noch lange nach den Pausen zusammensaßen, den immer größer werdenden Holzstapeln auf dem Polderplatz und dem Verhalten des Vorarbeiters Übele, der mit den Händlern vertraulich tuschelte, Zigarren anbot und Friedrich mit scheelen Blicken bedachte, wenn der sich abseits von den anderen aufhielt, um seinen Brotkanten zu verzehren.
    In diesen ersten Tagen hatte Friedrich einen verwegenen Entschluss gefasst, den er gleich in die Tat umsetzte, bevor ihn der Mut verließ. Nach Feierabend hatte er Übele gefragt, ob der Herr Dederer noch im Kontor sei. Übele hatte breitbeinig dagestanden, die Daumen in die Knopflöcher seiner ärmellosen dunklen Weste eingehakt. Nach dieser Frage hatte er gegrinst, mit heruntergezogenen Mundwinkeln, und dann schließlich breit lächelnd geantwortet: »Wird schon noch drüben sein im Büro, der Chef, wo auch sonst? Ganz allein ist er aber sicher nicht mehr. Die Flaschen werden bereits bei ihm sein.«
    Friedrich hatte sich auf dem Absatz herumgedreht und war hinübergegangen, ohne Übele noch eines Blickes zu würdigen. Natürlich wussten sie es, alle wussten es, und deshalb war der Louis Dederer nicht mehr Herr im eigenen Haus und das Sägewerk verkam und womöglich spielte der Übele sein eigenes Spiel! Aber er, Friedrich, würde sich fern halten, er würde sich nicht gemein machen mit den anderen, er würde beobachten und abwarten.
    Möglichkeiten, hatte er immer wieder in diesen Tagen gedacht, Möglichkeiten. Als ob ich es geahnt hätte.
    Louis Dederer hatte an diesem Tag in seinem Stuhl gehangen, den Kopf schief zur Seite gelegt, als könne er ihn nicht mehr auf den Schultern halten. Ein dünner Speichelfaden zog sich von seinem linken Mundwinkel zum Kinn. Er bewegte sich nicht, als Friedrich eintrat. Lisbeth war nirgends zu sehen. Aber unvermittelt hatte er plötzlich gesprochen: »Sieh da, mein Freund Weckerlin. Was willst du? Gefällt es dir bei uns nicht? Oder willst mehr Geld?«, lallte er mit schwerer Zunge.
    »Nein, Herr Dederer, es geht um etwas anderes. Ich brauche Schuhe.«
    »Schuhe?« Louis Dederer richtete sich etwas auf und sah Friedrich an. Seine schwimmenden Augen schienen für einen Augenblick ganz klar zu werden und er verstand offensichtlich, was Friedrich ihm sagte. »Schuhe«, wiederholte er, diesmal mit deutlichem Erstaunen in der Stimme. »Du willst Schuhe?«
    »Ja, Herr Dederer. Sehen Sie, mir ist aufgefallen, dass ich für die Arbeit hier Schuhe brauche, richtige, feste Schuhe. Ich habe aber nur dieses eine Paar von meinem Großvater, die sind alt und viel zu dünn und haben schon Löcher, für die Arbeit hier taugen die nicht. Ich habe noch kein Geld, um mir richtige Schuhe zu kaufen und deshalb ...« Friedrich zögerte etwas. Er versuchte den Blick des Mannes festzuhalten, der ihm gegenübersaß, und tatsächlich – Louis Dederer schien ihn zu verstehen. Er nickte ihm aufmunternd zu und Friedrich fuhr fort: » ... und deshalb wollte ich Sie bitten, dass ich mir auf

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