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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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in der Zwischenzeit das Wehr passiert, geschickt gesteuert durch Philipp Lutz, der jetzt den Jungen entdeckt hatte. Er warf ihm einige Worte zu, die Friedrich aber nicht verstehen konnte, es war wohl ein derber Witz gewesen, denn die anderen Flößer lachten schallend. Friedrich hob grüßend die Hand, der Jüngste der Besatzung, Jockele genannt, schloss das Wehr und rannte wieder hinter dem Floß her, das ihn aufnahm, bevor es an Geschwindigkeit zulegte.
    Friedrichs Blick schweifte düster zurück zum Sägewerk und vor allem zum daneben liegenden Polderplatz, wo die Baumstämme lagerten, die gesägt werden sollten. Viele Stämme türmten sich dort, viel zu viele nach Friedrichs Geschmack, dicke, roh behauene Stämme, aus denen noch der Duft des Waldes strömte, man konnte ihn riechen, wenn man an ihnen vorbeiging. Auch im großen Wasserbecken vor dem Sägewerk, das von der Enz gespeist wurde, schwammen die Stämme, schwappten im Wasser auf und ab und schlugen dumpf aneinander. Ansonsten lag Stille über dem Sägewerk, eine beunruhigende, grelle Stille, die Friedrich fast körperlich spüren konnte.
    Die große Gattersäge war wieder einmal ausgefallen, jäh verstummt, als das Sägeblatt auf einen Stein gestoßen war, den man beim allzu sorglosen Vorbehandeln des Holzes übersehen hatte. Es wurde nachlässig und schlampig gearbeitet im Sägewerk des Louis Dederer, das hatte Friedrich schon nach ein paar Tagen gemerkt! Der Grund lag im Prinzipal selbst, vielmehr in der Flasche, die er stets griffbereit in einem der Schreibtischfächer aufbewahrte, drüben im Kontor, einem niedrigen Schindelbau, der sich an das Wohnhaus anschloss, das gegenüber der Sägemühle stand.
    Diese Flasche hatte Dederer auch sofort herausgeholt, als Friedrich an einem Aprilmorgen des Jahres 1915 im Büro gestanden hatte, mit stolz erhobenem Kopf, die Mütze ehrerbietig in den Händen haltend. Groß und breitschultrig war Friedrich im letzten Jahr geworden, trotz der schmalen Kost, die im ersten Kriegsjahr noch kärglicher geworden war. Dem Prinzipal schien das auch gleich aufgefallen zu sein, sein Blick glitt wohlgefällig über die hoch aufgereckte, kräftige Gestalt des Jungen, der in gebührender Demut, aber irgendwie auch stolz und unnahbar vor ihm stand.
    »So, bei mir willst du also arbeiten, Friedrich Weckerlin. Und warum willst du ausgerechnet ins Sägewerk?«
    Da war sie, die Frage, die auch Johannes immer wieder an ihn gerichtet hatte, vor allem als sie in den ersten warmen Frühlingstagen hinaufgestiegen waren zum Katzenbuckel, um Frühlingskräuter zu sammeln. Es waren ihre letzten Wochen in der Schule gewesen und natürlich hatten ihre Pläne und Zukunftsaussichten im Mittelpunkt der Gespräche gestanden. Vor allem auch jetzt, wo sich Deutschland in einem großen Krieg befand, einem Krieg, der für Friedrich zu früh gekommen war, wie er immer wieder wehmütig beklagte.
    Auf die Frage nach seinem Plan, im Sägewerk zu arbeiten, hatte er beim letzten Mal geantwortet: »Lange habe ich mir überlegt, ob ich nicht zum Tournier gehen soll, aber ich habe keine Lust, in einer großen stinkenden Halle zu hocken und Granatzünder zusammenzubauen. Und weiß ich, was nach dem Krieg sein wird?«
    »Einverstanden, aber dein Vater war Maurer.«
    »Hör auf damit!« Friedrich war richtig wütend geworden, wie immer, wenn man ihn darauf ansprach. »Hör endlich auf damit. Das Maurergeschäft Friedrich Weckerlin & Söhne existiert nicht mehr! Ich habe auch gar keine Lust, dieses Handwerk zu lernen! Es ist vorbei. Nein, ich will arbeiten und Geld verdienen und ich gehe in ein Sägewerk, da gibt es sicher Möglichkeiten ...«
    Möglichkeiten – da hatte er wieder das Wort gebraucht, das er immer im Zusammenhang mit dem Krieg verwendet hatte. Johannes hatte ihn nur forschend angeschaut, dann aber nichts mehr gesagt. Nur am Abend, bevor er sich beim Dederer vorstellen wollte, war er noch einmal darauf zu sprechen gekommen. »Und warum gerade zum Dederer? Warum nicht zum Zinser, das ist immerhin der reichste Mann im Dorf und das Sägewerk ist auch um einiges größer. Welche Möglichkeiten siehst du denn beim Dederer?«
    Friedrich hatte die Ironie, die in Johannes Worten lag, herausgehört und fühlte sich verletzt. »Weil der Dederer mich wahrscheinlich eher nimmt als der Zinser. Louis Dederer hat meinen Vater gut gekannt. Nicht jeder verfügt über solch hervorragende Beziehungen wie du!«
    Johannes hatte dann angefangen, ihn in die Seite zu

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