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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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Akademikern, Künstlern – sagte Metternich den Kampf an; er schuf ein System der Freiheitsbeschränkungen, das später seinen Namen tragen sollte.
    Allerdings muss gesagt werden, dass der neue mächtige Mann in Wien wenig Mühe hatte, sein System durchzusetzen. Obrigkeitstreue und eine konservative Grundeinstellung waren in der Bevölkerung tief verwurzelt, was nicht zuletzt mit der Ideologie des Katholizismus zusammenhing. Eine nostalgische Sehnsucht nach einer Art mittelalterlicher Ständegesellschaft – mit dem Adel und dem Klerus als Säulen – war nichts Neues. Der Wiener Kongress brachte zwar auf vielen Gebieten einschneidende Veränderungen, doch im Grunde hatte die Restauration schon viel früher, nach dem ersten Koalitionskrieg, begonnen. Längst war die Wiener Bevölkerung daran gewöhnt, unter den allsehenden Augen der Polizei zu leben. Nach und nach hatten die Männer in den grauen Mänteln mit grünen Kragen nämlich ihre ursprüngliche Aufgabe – das Leben in der Polis zum Beispiel durch die Durchsetzung von Hygienevorschriften sicherer zu machen – ausgeweitet und dem Begriff «Ordnung» eine neue Bedeutung gegeben. Die Polizei verhaftete Betrunkene, Glücksspieler und natürlich auch die kleinsten Diebe, unterband Schwarzhandel und Schmuggel, griff bei Auseinandersetzungen in Wirtshäusern oder zwischen Eheleuten ein und bewachte mit großem Aufgebot öffentliche Gebäude, Theater, Wohnblocks und bestimmte vornehme Restaurants. Beethoven ärgerte sich maßlos über ihre Allgegenwart, besonders aber darüber, dass sie es vor allem auf die kleinen Kriminellen abgesehen hatte und die großen unbehelligt ließ. (Diese Abneigung gegen die Polizei hat ihn allerdings nicht davon abge halten, sie mehrmals in Anspruch zu nehmen, wenn er sich bei den Streitigkeiten mit seinen Schwägerinnen einen Vorteil davon versprach.)
    Um die Stabilität des Systems und besonders die der Monarchie, der Kirche und der Moral zu garantieren, ließ man der «Polizei-Hofstelle», manchmal auch «Geheime Polizei» genannt, immer mehr Handlungsfreiheit. Durch die Überwachung der liberalen und progressiven Elemente glaubte die Geheimpolizei jede aufkeimende Opposition im Keim ersticken zu können. Dabei verließ sie sich nicht allein auf die Polizeiagenten, sondern rekrutierte auch vertrauenswürdige private Spitzel, die ihre Mitmenschen beobachteten und aushorchten und täglich Bericht erstatteten: Fiaker, Diener, Kellner, Prostituierte. Zu jeder Zeit und überall musste man damit rechnen, bespitzelt zu werden. Nur im eigenen stillen Kämmerlein war man sicher. Hoffentlich …
    Natürlich interessierte sich der Repressionsapparat ganz besonders für das, was in den Theatern gesprochen und gesungen und in Büchern, Zeitungen und Zeitschriften gedruckt wurde. Auch die Lehrinhalte an der Universität ließ man sorgfältig durchleuchten. Selbst scheinbar harmlose Druckwerke wie Landkarten und Stadtpläne, ja, sogar Ladenschilder und Grabinschriften wurden zensiert. Die Zensur, die zahllose Projekte behinderte, hatte eine lähmende Wirkung, was zweifellos auch beabsichtigt war. Theaterdirektionen, Künstler, Schriftsteller und Journalisten wählten häufig das vermeintlich kleinere Übel der Selbstzensur. Einige Autoren begehrten auf, andere resignierten, wieder andere – zum Beispiel Nestroy – fanden Vergnügen daran, trotz allem zu provozieren. Kein Beamter konnte ja verhindern, dass ein Darsteller auf der Bühne vom genehmigten Text abwich. Und dann gab es noch eine weitere Kategorie von Schriftstellern: Diejenigen, denen der Zensurzwang nicht viel ausmachte, weil sie wussten, dass sich immer etwas mauscheln ließ, wenn man die richtigen Leute kannte und bereit war, etwas springen zu lassen. Wien bleibt schließlich Wien.
    Ohne Zweifel hatte dieses Klima der Repression weitreichende Auswirkungen auf die Lebenseinstellung der Bevölkerung. Weil man immer damit rechnen musste, dass einem die Polizei in die Karten schaute, interessierten sich die Bürger immer weniger für Politik – ganz im Sinne der Herrschenden, die politisches Engagement ohnehin nur fürchteten. Aber die Situation war komplexer. In gewisser Weise waren auch die Bürger ganz zufrieden mit dem Status quo und hatten ähnliche Interessen wie der Adel, der naturgemäß alles, was nach Umsturz roch, unterdrücken wollte. Auch die Bürger hatten genug von Kriegen, Unruhen, Umwälzungen und brüchigen Friedensregelungen. Sie wünschten sich ein wenig Wohlstand

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