Befehl aus dem Jenseits (German Edition)
Raumschiff und seine Besatzung waren ein hundertprozentig integrierter Bestandteil des fremden Raumes geworden. Die Atome, Moleküle und Masseteilchen verharrten noch in jener Kombination, die einmal ein Raumschiff und neun menschliche Wesen bedeutet hatten. Doch sie waren nur noch ein Muster, eine zufällige Anordnung.
Aagon-l-Cappo begriff, daß es keine Möglichkeit gab, den dahinjagenden Zug zu verlassen. Er konnte sich nicht dagegenstemmen, denn es gab keinen einzigen festen Punkt innerhalb des Stromes aus korrespondierenden Schwingungsfeldern.
Genausogut hätte er versuchen können, einen Wasserfall mit einem Sieb aufzuhalten oder das Licht einzufangen.
Durch die verschlossenen Schotts schwebten Mitglieder der Besatzung in die Zentrale. Sie drangen durch Aagon-1-Cappo hindurch. Er sah ihre bewegungslosen Gesichter. Wie Statuen aus einem weißlichen Nebel fluteten sie in weiten Bögen hin und her. Zufällige Bewegungen, ungesteuert und ziellos.
Schwerelos, raumlos, zeitlos!
Die Wucht der Erkenntnis lähmte den Commander. Doch dann entdeckte er schlagartig die einmalige, ungeheure Bedeutung seiner Situation.
Wenn er nur eine atomare Struktur innerhalb des Pararaumes war – mußte dieser unendliche Raum dann nicht gleichzeitig ihm, dem Nonos-Commander Aagon-1-Cappo, in seiner ganzen Unendlichkeit zur Verfügung stehen?
Der Gedanke war noch nicht beendet, als ihm die Antwort bereits klar war. In jedem anderen Raum-Zeit-Kontinuum hätte der Commander in diesem Augenblick vor Freude und Überwältigung gejubelt.
Er hatte die Lösung gefunden!
Das jahrtausendealte Problem der Nonos existierte nicht mehr! Dies war die Unsterblichkeit, mit der sie schon längst nicht mehr gerechnet hatten. Sie konnten die Suche nach geeigneten Erben einstellen ... Aagon-l-Cappo beobachtete, wie ein Besatzungsmitglied durch die Kontrollwände flog. Und in die Freude über seine neue Erkenntnis mischten sich Trauer und Hoffnungslosigkeit. Er kannte die große Lösung, doch er hatte keine Möglichkeit, sein Wissen weiterzugeben.
Er war ein Gefangener des Pararaums. Die schillernde Unendlichkeit gab ihn nicht frei. Und somit war seine Antwort im Pararaum gefangen.
Vielleicht war es das, was die Ewigkeit so endgültig und hoffnungslos machte ...
*
Roby Dumont erschauerte bis ins Mark. Das Entsetzen lähmte ihn so vollständig, daß er unterging. Er schluckte Wasser, prustete und schlug endlich mit wilden Bewegungen um sich.
Er tauchte, so lange er konnte, schwamm mit starken Bewegungen und kam erst wieder hoch, als seine Lungen zu zerplatzen drohten. Das Blut hämmerte in seinen Ohren. Bunte Sterne tanzten vor seinen Augen.
Sein Kopf tauchte auf. Er japste und schnappte nach Luft. Blitzartig warf er sich herum. Wieder einmal hatte er so reagiert, wie er es auf der Erde getan hätte.
Er schämte sich, als er den schwankenden Körper des toten Coaters entdeckte. Er hatte ihn an der Schulter berührt.
Als er wieder klar denken konnte, wurde er langsam ruhiger. Er entdeckte, daß der Coater eine große Hilfe bedeutete.
Er brauchte einige Zeit, bis er seinen Widerwillen überwand. Dann schwamm er langsam auf den Coater zu. Er mußte sich zwingen, die Hautschleppe zur Seite zu schieben. Wie ein weißlicher Ölfilm tanzte sie auf den flachen Wellen.
Dumont griff nach dem Kopfwulst des toten Wesens. Er fühlte sich äußerlich weich und innen verknorpelt an. Die ehemals leuchtenden Farben waren verblaßt. Eine gelbe Salzschicht lag wie feuchter Blütenstaub auf dem Körper.
Es dauerte ziemlich lange, bis sich Dumont an die neue Situation gewöhnt hatte.
Ihm war übel. Er hatte eine Menge Wasser geschluckt. Sein Magen machte nicht mit. Er wußte, daß sich mit Hilfe des Coaters seine Überlebenschancen verbesserten. Dennoch brauchte er ein Ziel. Er konnte nicht ewig auf dem Meer herumtreiben.
Dann fiel ihm der Vulkankegel wieder ein. Die Atmosphäre hatte sich inzwischen in eine ›Waschküche‹ verwandelt. Die Wolken waren so tief gesunken, daß sie die Wasserfläche berührten. Die Sichtweite betrug nicht viel mehr als hundert Meter.
Eigentlich hätte Roby Dumont viel verzweifelter sein müssen. Er war es nicht. Fast belustigt stellte er fest, daß er sich sogar ein wenig heimisch fühlte: Londoner Nebel!
Er grinste, als er daran dachte. Mit den Füßen paddelte er durch die Wellen. Der Coater bot einen guten Halt.
Dumont hatte sich einigermaßen beruhigt. Der Gedächtnisschwund war vorbei. Aber noch immer fand er keinen
Weitere Kostenlose Bücher