Befehl von oben
gibt.«
»Das glaube ich«, sagte Alex und erinnerte sich daran, wie er vor einiger Zeit noch gelächelt und genickt hätte. »Die Zahlen sind grausig. Mr. Altman, im Augenblick ist ein Drittel der Burschen, die zum thailändischen Militär einberufen werden, HIV-positiv. Größtenteils Subtyp E.«
»Ein Drittel? Ein Drittel von ihnen?«
»Angestiegen von fünfundzwanzig Prozent, als Ralph drüben war.«
»Aber das bedeutet ja …«
»Das könnte bedeuten, daß es in fünfzig Jahren kein Thailand mehr gibt«, verkündete Cathy mit einer sachlichn-üchternen Stimme, die ihren inneren Horror verbarg. »Als ich hier studiert habe, dachte ich, die Onkologie wäre der Bereich für die besonders Klugen« – Altman zum Verständnis zeigte sie auf sie – »Marty, Bert, Curt und Louise, die Leute in der Ecke da drüben. Ich hatte mir nicht zugetraut, das zu schaffen, mit dieser Belastung fertig zu werden, und so schneide ich Augäpfel auf und füge sie wieder zusammen. Ich hatte mich geirrt. Wir sind dabei, den Krebs zu besiegen. Aber diese verdammten Viren, ich weiß nicht.«
»Die Lösung, Cathy, steckt in dem Verständnis der Interaktionen zwischen den Genfäden in dem Virus und der Wirtszelle, und das sollte doch nicht so schwer sein. Viren sind winzig kleine Mistdinger, die viele scheußliche Dinge verursachen können. Aber sie haben keinen eigenen Stoffwechsel. Für ihre Vermehrung sind sie auf chemische Bausteine. Energie und Enzyme lebender Zellen angewiesen. Wenn wir das einmal richtig erforscht haben werden, dann können wir all diese kleinen Bastarde besiegen.« Wie die meisten medizinischen Forscher war Alexandre ein Optimist.
»Also die menschliche Zelle erforschen?« fragte Altman, der ein reges Interesse entwickelte. Alexandre schüttelte den Kopf.
»Viel kleiner als das. Wir sind gerade bei den Genomen. Das ist wie wenn man eine fremdartige Maschine auseinandernimmt. Bei jedem Schritt versucht man herauszubekommen, was die einzelnen Teile tun, und früher oder später hat man dann alle Teile lose, und man weiß genau, wo sie alle hingehören, und dann versucht man herauszubekommen, was sie alle in einer systematischen Art und Weise tun. Und dabei sind wir gerade.«
»Sie wissen, worauf das zurückführen wird?« deutete Cathy mit einer Frage an, die sie dann selber beantwortete: »Mathematik.«
»Dasselbe sagt Gus unten in Atlanta.«
»Mathe? Na hören Sie!« protestierte Altman.
»Auf unterster Ebene besteht der genetische Code des Menschen aus vier Aminosäuren, mit A, C, G und U bezeichnet. Die Art, wie diese Buchstaben – diese Säuren, meine ich – miteinander verbunden sind, bestimmt alles«, erklärte Alex. »Verschiedene Wesensmerkmale bedeuten verschiedene Dinge und interagieren auf verschiedene Weise, und vermutlich hat Gus recht: Die Wechselwirkungen sind mathematisch definiert. Der genetische Code ist tatsächlich ein Code. Er kann geknackt werden, und er kann verstanden werden.« Vermutlich wird ihnen jemand einen mathematischen Wert zuweisen … komplexe Polynome … dachte er. War das wichtig?
»Bis jetzt ist bloß noch keiner so schlau gewesen, das zu tun«, stellte Cathy Ryan fest. »Das ist ein Homerun-Ball, Roy. Eines Tages wird jemand auf das Plate treten und ihn über den Zaun schlagen, und das wird uns den Schlüssel bringen, um alle menschlichen Krankheiten zu besiegen. Alle. Jede einzelne. Der Schatz am Ende des Regenbogens ist medizinische Unsterblichkeit – und wer weiß, vielleicht menschliche Unsterblichkeit.«
»Bringt uns alle um unsere Arbeit, besonders Sie, Cathy. Eines der ersten Dinge, die sie aus dem menschlichen Genom herausnehmen werden, ist Myopie und dann Diabetes und dann …«
»Erst werden Sie brotlos, bevor ich es werde, Professor«, sagte Cathy mit einem verschmitzten Lächeln. »Ich bin Chirurgin, vergessen Sie das nicht. Ich werde immer noch Traumata zu beheben haben. Aber früher oder später werden Sie Ihre Schlacht gewinnen.«
*
Ob das aber für diesen Subtyp-E-Patienten von heute noch rechtzeitig sein wird? fragte sich Alex. Vermutlich nicht, vermutlich nicht.
Jetzt verfluchte sie sie, hauptsächlich auf französisch, zum Teil aber auch auf flämisch. Die Sanitäter verstanden keine dieser beiden Sprachen.
Moudi sprach die erstere gut genug, um zu wissen, daß die Verwünschungen, so abscheulich sie auch sein mochten, nicht das Produkt eines klaren Verstandes waren. Jetzt wurde auch das Gehirn angegriffen, und Jean Baptiste war
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