Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
waren. Aber das war vor AIDS gewesen. Und er war nun derjenige, der dem Patienten, männlich, weiß, sechsunddreißig, sagen mußte, daß er HIV-Antikörper im Blut hatte, daß er mit seiner Frau keinen ungeschützten Sex haben durfte und daß sie sofort ihr Blut untersuchen lassen sollte. Ach, sie war schwanger?
    Unverzüglich! Möglichst gleich morgen!
    Alexandre kam sich vor wie ein Richter. Es war nicht das erstemal, daß er eine solche Mitteilung machen mußte, und sicher auch nicht das letztemal, aber wenn ein Richter das Todesurteil sprach, dann zumindest wegen eines schlimmen Verbrechens und auch erst nach einem Gerichtsverfahren. Dieser arme Kerl hier hatte sich aber nichts weiter zuschulden kommen lassen, als daß er zwölf Zeitzonen von zu Hause entfernt ein Mann gewesen war, vermutlich betrunken und einsam.
    Vielleicht hatte es per Telefon Streit gegeben. Vielleicht hatte es nur an der exotischen Umgebung gelegen. Alex konnte sich noch gut daran erinnern, wie verführerisch die kindhaften Thaimädchen sein konnten, und, was zum Teufel, wer würde es schon erfahren? Jetzt würden das sehr viele Leute, und es gab keine Gerichtsverhandlung. Das könnte sich ändern, dachte Dr. Alexandre. Er hatte es dem Patienten gesagt. Man konnte ihnen nicht die Hoffnung nehmen. Onkologen erzählten das ihren Patienten schon seit zwei Generationen. Diese Hoffnung war doch real, war echt, oder? Kluge Leute arbeiteten daran – Alexandre war einer von ihnen –, der Durchbruch konnte morgen geschehen. Oder es konnte noch hundert Jahre dauern. Der Patient auf der Karteikarte hatte vielleicht noch zehn.
    »Sie sehen nicht gerade sehr glücklich aus.«
    Er schaute empor. »Dr. Ryan.«
    »Dr. Alexandre, und ich glaube, Sie kennen Roy.« Mit ihrem Tablett wies sie auf den Tisch. Die Kantine war heute ziemlich voll. »Was dagegen?«
    Er erhob sich halb. »Bitte!«
    »Schlechter Tag?«
    »Fall von Subtyp E«, war alles, was er sagen konnte.
    »HIV, Thailand? Jetzt hier?«
    »Sie lesen tatsächlich M&M.« Er brachte ein Lächeln zustande.
    »Ich muß mich doch auf dem laufenden halten. Subtyp E? Sind Sie sicher?« fragte Cathy.
    »Ich habe meinen Test wiederholt. Er hat sich in Thailand angesteckt, Geschäftsreise, wie er sagte. Frau schwanger«, fügte Alex hinzu. Bei diesem Zusatz verzog Professorin Ryan das Gesicht.
    »Nicht gut.«
    »AIDS?« fragte Roy Altman. Der Rest von SURGEONS Leibwache war über den ganzen Raum verteilt. Sie hätten es lieber gesehen, wenn sie in ihrem Büro gegessen hätte, aber Dr. Ryan hatte erklärt, daß das eine der Möglichkeiten war, bei denen sich die Hopkins-Ärzte begegneten und sich austauschen konnten, und darauf konnte und wollte sie keinesfalls verzichten. Heute ging es um Infektionskrankheiten. Morgen um Pädiatrie.
    »Subtyp E«, erklärte Alexandre mit einem Nicken. »In Amerika ist vor allem der Subtyp B verbreitet. Ebenso in Afrika.«
    »Worin besteht denn der Unterschied?«
    Cathy gab die Antwort. »Subtyp B ist nicht so ansteckend. Diese Virusvariante wird nur durch direkten Blutkontakt weitergegeben. Das geschieht bei Drogenkonsumenten, die sich gegenseitig ihre Injektionsnadeln leihen, oder durch sexuellen Kontakt, aber hauptsächlich immer noch bei Homosexuellen, die Gewebeschädigungen haben, entweder durch Verletzungen oder durch herkömmliche Geschlechtskrankheiten.«
    »Sie haben Mißgeschick vergessen, aber das ist nur bei einem Prozent der Fall.« Alexandre nahm den Faden auf. »Es hat allmählich den Anschein, als ob der Subtyp E – der in Thailand aufgekommen ist – den heterosexuellen Sprung viel leichter schafft als B. Er ist ganz eindeutig ein viel härterer Bursche als unser alter Freund.«
    »Haben die CDC das schon quantifiziert?« fragte Cathy.
    »Nein, sie brauchen noch ein paar Monate, zumindest ist es das, was ich vor einigen Wochen gehört habe.«
    »Wie schlimm?« fragte Altman. Mit SURGEON zu arbeiten wurde ja geradezu zu einer Bildungsveranstaltung.
    »Ralph Forster ist vor fünf Jahren hingeflogen, um an Ort und Stelle zu sehen, wie schlimm es war. Kennen Sie die Story, Alex?«
    »Nicht ganz, nur den Schluß.« Ralph ist also hinübergeflogen, im Auftrag der Regierung, offizielle Reise und so, und das erste, was ihm passiert ist, nachdem er das Flugzeug verlassen hatte, der thailändische Offizielle holt ihn am Zoll ab, führt ihn zum Auto und fragt: »Möchten Sie Mädchen für heute abend? Da war ihm klar, daß es dort ein echtes Problem

Weitere Kostenlose Bücher