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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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nicht einmal mehr in der Lage, mit ihrem Gott zu sprechen. Schließlich wurde auch ihr Herz angegriffen, und das gab dem Doktor die Hoffnung, der Tod würde sie holen kommen und so wenigstens noch ein verspätetes Erbarmen der Frau erweisen, die viel, viel mehr verdiente, als sie vom Leben bekommen hatte. Vielleicht erbarmte sich ihrer das Delirium. Vielleicht hatte sich ihre Seele schon von ihrem Körper gelöst. Das war eine Illusion, die der Doktor brauchte, doch wenn das, was er sah, Barmherzigkeit sein sollte, dann ganz gewiß eine entsetzliche Form davon.
    Das Gesicht der Patientin war jetzt voller Ausschlag, was ähnlich aussah, als wäre sie brutal geschlagen worden. Er konnte nicht feststellen, ob ihre Augen noch funktionierten. Sie bluteten äußerlich wie innerlich, und wenn sie noch sehen konnte, dann aber gewiß nicht mehr lange. Eine halbe Stunde zuvor hätten sie sie beinahe verloren, was ihn veranlaßt hatte, in das Behandlungszimmer zu eilen, wo er sah, wie sie an Erbrochenem würgte und die Sanitäter sich bemühten, sowohl sie zu säubern als auch die Handschuhe intakt zu behalten. Die Riemen, die sie festhielten, hatten ihr, obgleich sie mit Weichplastik überzogen waren, die Haut aufgerieben, was zu noch stärkerem Bluten und noch mehr Schmerzen geführt hatte. Jetzt wurde auch das Gewebe ihres Gefäßsystem zersetzt, und von den Bluttransfusionen lief fast genausoviel aufs Bett wie in die Arme und Beine, und alle Flüssigkeit war so tödlich wie das tödlichste Gift. Mittlerweile fürchteten sich die Pfleger echt davor, die Patientin überhaupt zu berühren, Handschuhe oder nicht, Schutzanzug oder nicht. Moudi sah, daß sie sich einen Plastikeimer geholt und ihn mit Jodlösung gefüllt hatten, und während er dabeistand, tauchte einer seine Handschuhe hinein und schüttelte sie dann nur ab, ohne sie richtig abzutrocknen, damit, wenn er die Patientin berührte, eine zusätzliche chemische Barriere dafür sorgte, daß keine Keime von ihr auf ihn übersprangen. Solche Vorsichtsmaßnahmen waren nicht nötig – die Handschuhe waren dick –, aber er konnte ihnen wegen der Angst kaum Vorwürfe machen. Zur vollen Stunde kam die neue Schicht, und die alte ging. Einer von ihnen drehte sich an der Tür noch einmal um und betete mit stummen Lippen, Allah möge diese Frau zu sich nehmen, bevor er in acht Stunden wieder hierherkommen mußte. Draußen vor der Tür empfing sie ein Sanitätsoffizier, genauso gekleidet wie sie, und führte sie zur Desinfektion, wo ihre Schutzanzüge abgesprüht wurden, ehe sie sie auszogen, und dann ihre Körper, während die Anzüge in die Verbrennungsanlage kamen und verbrannt wurden. Moudi hatten keinen Zweifel, daß diese Prozedur genau nach den Vorschriften erfolgte – nein, noch viel genauer, und trotzdem würden die Sanitäter den folgenden Tagen mit Angst entgegensehen.
    Hätte er hier und jetzt eine tödliche Waffe besessen, er hätte sie womöglich ihr gegenüber benutzt, und zum Teufel mit den Konsequenzen!
    Ein paar Stunden zuvor hätte eine große Injektion Luft wahrscheinlich noch funktioniert, hätte eine tödliche Embolie bewirkt, aber die Zerstörung ihres Gefäßsystems war bereits so weit gegangen, daß er sich nicht einmal dessen sicher sein konnte. Es war ihre Stärke, was das Martyrium so schlimm machte. So schmächtig sie auch war, hatte sie doch vierzig Jahre lang immer viele Stunden gearbeitet und dadurch eine überraschend gute Kondition erlangt. Der Körper gab den Kampf nicht auf, so vergeblich er auch war.
    »Kommen Sie, Moudi, Sie wissen es besser«, sagte der Direktor hinter ihm.
    »Was meinen Sie?« fragte er, ohne sich umzudrehen.
    »Wenn sie noch in dem Hospital in Afrika wäre, was wäre dann anders? Würde sie dort nicht genauso behandelt, würde nicht dasselbe unternommen, ihr Leben zu erhalten? Die Bluttransfusionen und die Infusionen und alles andere. Das wäre genau dasselbe. Ihre Religion erlaubt keine Euthanasie. Wenn überhaupt ein Unterschied besteht, dann der, daß die Versorgung hier besser ist«, konstatierte er korrekt, wenn auch gefühllos, dann wandte er sich um und warf einen Blick auf die Aufzeichnungen. »Fünf Liter. Ausgezeichnet!«
    »Wir könnten beginnen …«
    »Nein.« Der Direktor schüttelte den Kopf. »Wenn ihr Herz stehenbleibt, werden wir ihr ihr gesamtes Blut entziehen. Wir werden ihr die Leber, die Nieren und die Milz entnehmen, und dann beginnt unsere richtige Arbeit.«
    »Zumindest sollte jemand für ihre

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