Befehl von oben
manchen Fällen vermutlich mit der Hilfe der Bodyguards. Jack begab sich zügig in den Lagebesprechungsraum im Westflügel.
»Reden Sie«, befahl der Präsident.
»Es hat begonnen.« Ed Foleys Blick war auf den Fernsehapparat an der Wand gerichtet. Und alles, was sie tun konnten, war zuzuschauen.
Das irakische Nationalfernsehen begrüßte den neuen Tag und die neue Wirklichkeit. Sie war ablesbar an der Inbrunst, mit der der Nachrichtensprecher das Tagesprogramm mit der Anrufung des Namens Allahs begann. Der Chief Master Sergeant in PALM BOWL, der die nationale Sendung vom Sender im nahen Basra empfing, drehte sich um und winkte.
»Major Sabah?«
»Ja, Chief, ja«, erwiderte der kuwaitische Offizier mit einem Nicken, als er herüberkam. Er hatte nie sehr daran gezweifelt. Seine Vorgesetzten hatten Vorbehalte geltend gemacht. Das taten sie immer; sie waren nie so dicht am Puls ihres Feindes wie der Major. Er schaute auf die Uhr.
Nach der Morgenroutine würden sie in zwei Stunden ins Büro kommen, und das machte jetzt nichts. Sich beeilen würde nichts ändern. Der Damm war gebrochen, das Wasser lief aus. Die Zeit, das aufzuhalten, war vorbei, vorausgesetzt, daß eine solche Möglichkeit überhaupt bestanden hatte. Das irakische Militär habe die Macht übernommen, sagten die Fernsehnachrichten. Das wurde verkündet, als ob die Situation einzigartig wäre. Ein Rat der revolutionären Gerechtigkeit hatte sich gebildet. Jene, die sich schuldig gemacht hatten der Verbrechen gegen das Volk (schöner Sammelbegriff, der sehr wenig bedeutete, aber von allen verstanden wurde), würden eingesperrt und hätten sich vor ihren Landsleuten zu verantworten. Das Land brauchte vor allem Ruhe, sagte das Fernsehen.
Der heutige Tag wurde zum Feiertag erklärt. Nur wer unbedingt erforderliche Tätigkeiten zu verrichten hatte, brauchte zur Arbeit zu gehen.
Allen anderen Bürgern des Landes wurde empfohlen, diesen Tag als einen Tag des Gebets und der Versöhnung anzusehen. Der übrigen Welt versprach das neue Regime Frieden. Die übrige Welt würde den ganzen Tag Zeit haben, darüber nachzudenken.
Daryaei hatte sehr viel darüber nachgedacht. Drei Stunden Schlaf hatte er sich gegönnt, ehe er sich zum Morgengebet wieder erhob. Er fand, je älter er wurde, desto weniger brauchte er. Vielleicht verstand sein Körper, daß, da ihm immer weniger Zeit verblieb, keine Zeit mehr war zum Ruhen, doch welche zum Träumen schon, und geträumt hatte er in den frühen Morgenstunden von Löwen. Toten Löwen. Der Löwe war auch ein Symbol des Schah-Regimes gewesen, und gewiß hatte Badrayn recht gehabt. Löwen kann man töten. Im Iran hatte es einst echte Löwen gegeben, doch sie waren schon im Altertum restlos zur Strecke gebracht worden. Die symbolischen, die Dynastie Pehlewi, wurden genauso ausgerottet, durch Verknüpfung von Geduld mit Erbarmungslosigkeit. Er hatte mitgewirkt. Es war nicht immer schön gewesen. Er hatte eine Greueltat befohlen und überwacht, das Niederbrennen eines voll besetzten Theaters, von Leuten besucht, denen westliche Dekadenz wichtiger war als ihr islamischer Glaube. Hunderte waren gräßlich umgekommen, aber – aber es war notwendig gewesen, erforderlicher Teil der Kampagne, sein Land und sein Volk wieder auf den rechten Pfad zu bringen, und während er diesen speziellen Vorfall bedauerte und als Sühne regelmäßig für die Opfer betete, nein, bereuen tat er es nicht. Er war ein Instrument des Glaubens, und der Koran selber sprach von der Pflicht zum Kriege, zum Heiligen Kriege, zur Verteidigung des Glaubens.
Ein Geschenk Persiens (manche sagten Indiens) an die Welt war das Schachspiel. Das Wort für das Spiel-Ende, schachmatt, kam vom persischen shah mat – ›der König ist tot‹ –, etwas, das er im wirklichen Leben mitbewirkt hatte, und wenn Daryaei auch lange aufgehört hatte, nur Spiele zu spielen, er wußte, daß ein guter Spieler nicht Zug für Zug dachte, sondern vier oder noch mehr Züge voraus. Ein Problem beim Schach, wie im wirklichen Leben, war, daß der nächste Schritt mitunter vorherzusehen war, besonders wenn der Gegner ebenfalls gut war – ihn nicht dafür zu halten wäre gefährlich. Doch je weiter vorausschauend man spielte, desto schwieriger war es für den Gegner zu sehen, was kommen würde, bis zum Ende, wo er wieder klar sehen konnte, dann aber ausmanövriert war, seine Figuren erschöpft, wie seine Macht und seine Möglichkeiten, und ihm nur das Aufgeben blieb. Im Irak war das an
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