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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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diesem Morgen der Fall gewesen. Die anderen Spieler – es waren in der Tat mehrere – hatten aufgegeben und waren davongelaufen, und Daryaei hatte das gern erlaubt. Noch köstlicher war es, wenn die Gegner nicht weglaufen konnten, doch es ging ja um den Gewinn, nicht um Befriedigung, und gewinnen hieß, weiter und schneller zu denken als der Gegner, damit der nächste Zug eine Überraschung wurde, damit der andere Spieler in Bedrängnis und Verwirrung gezwungen war, sich Zeit zu nehmen zum Reagieren, und im Schach wie im Leben ist Zeit begrenzt.
    Genauso war es mit den Löwen. So mächtig sie waren, sie konnten von schwächeren Geschöpfen ausmanövriert werden, wenn Zeit und Umstände stimmten. Nach seinem Gebet rief Daryaei Badrayn an. Der Jüngere war ein gewiefter Taktiker und Beschaffer von Informationen.
    *
    Er mußte nur von einem geführt werden, der in Strategie geschult war, aber mit dieser Führung könnte er in der Tat sehr nützlich sein.
    In einer einstündigen Beratung mit den führenden Experten kam man zum endgültigen Schluß, daß der Präsident absolut nichts tun konnte.
    Der nächste Schritt bestand einfach aus abwarten, zusehen und verstehen. Jeder Bürger konnte das, aber Amerikas führende Experten konnten ein bißchen schneller abwarten, zusehen und verstehen als jeder andere, das sagten sie sich jedenfalls. Und natürlich wurde das alles für den Präsidenten getan, also verließ Ryan den Lageraum, stieg die Treppe hoch und ging hinaus, um außerhalb des überdachten Fußwegs nassen, kalten Regen auf den Südrasen fallen zu sehen. Der kommende Tag versprach stürmisch zu werden, denn der März begann typischerweise wie ein Löwe, um lammfromm auszuklingen. So lautete doch die Volksweisheit. Im Augenblick sah es nur trostlos aus, so gut der Regen dem Boden auch tat, der sich vom kalten, bitteren Winter erholte.
    »Das spült den letzten Schnee weg«, sagte Andrea Price, die selbst überrascht war, ihren Prinzipalen unaufgefordert angesprochen zu haben.
    Ryan lächelte ihr zu. »Sie arbeiten ja noch mehr als ich, Agent Price, und Sie sind ein …«
    »Mädchen?« fragte sie mit einem verschmitzten Lächeln.
    »Meinen Chauvinismus muß man mir ja ansehen. Ich bitte um Verzeihung, Ma'am. Tut mir leid, ich dachte nur an eine Zigarette. Hab' vor Jahren aufgehört – Cathy hat die Daumenschrauben angesetzt. Mehr als einmal«, gestand Jack lächelnd. »Es kann hart sein, mit einer Ärztin verheiratet zu sein.«
    »Verheiratet zu sein kann ganz schön hart sein.« Price war mit ihrem Job vermählt, mit zwei gescheiterten Beziehungen als Beweis. Ihr Problem, wenn man es so bezeichnen konnte, war, daß sie ihre Pflicht mit so viel Hingabe erfüllte, wie man sie nur bei Männern erwartete. Das Faktum war einfach, aber erst ein Anwalt, dann ein Werbeleiter hatten sich nicht damit abfinden können.
    »Warum tun wir das, Andrea?« fragte Ryan.
    Special Agent Price wußte es auch nicht. Eigentlich konnte der Präsident ihr gegenüber eine Vaterfigur abgeben. Er war der Mann, von dem man erwartet hätte, die Antworten zu haben, doch nach Jahren in der Sondereinheit wußte sie es besser. Ihr Vater hatte immer die Antwort gehabt, so war es ihr in ihrer Jugend vorgekommen. Dann war sie erwachsen geworden, nach der Ausbildung dem Service beigetreten und hatte sich die steile und schlüpfrige Leiter rasch nach oben gearbeitet.
    Jetzt befand sie sich am Gipfel ihres Berufs, neben dem ›Vater‹ der Nation, nur um zu erfahren, daß das Leben dem Menschen nicht erlaubte zu wissen, was sie wissen wollten und mußten. Ihr Job war hart. Seiner war unendlich schlimmer, und vielleicht wäre es für den Präsidenten besser, irgend etwas anderes zu sein als der anständige und ehrenwerte Gentleman, der John Patrick Ryan war. Vielleicht würde das ein verdammter Mistkerl besser durchstehen …
    »Keine Antwort?« Ryan lächelte den Regen an. »Ich dachte, Sie sollten sagen, daß jemand es tun muß. Mein Gott, ich habe mir gerade alle Mühe gegeben, dreißig neue Senatoren zu verführen. Wissen Sie das? Verführen«, wiederholte Jack. »Als ob sie Mädchen wären oder so und als ob ich diese Art Kerl wäre.« Er schüttelte den Kopf.
    »Mit wem redet man?« fragte Jack. »Früher habe ich mit meinem Vater gesprochen, meinem Priester, mit James Greer, als ich für ihn arbeitete, oder mit Roger, bis vor wenigen Wochen. Jetzt fragen sie alle mich. Wissen Sie, in Quantico hat man mir das gesagt, auf der Offiziersschule,

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