Befehl von oben
das Gespräch fortzuführen. Der Mullah, seit über vierzig Jahren iranischer Geistlicher, hatte die ganze Zeit über Menschen in ihrem Glauben und ihrer Mühsal beraten, so fiel es ihm nicht schwer, ein Band zu knüpfen zu seinem Bewacher, der wohl geschworen hatte, ihn und die vier Kollegen zu töten, wenn er Befehl dazu von seinen Vorgesetzten erhielt. Da die scheidenden Generäle einen Mann ausgewählt hatten, der als ergeben galt, hatten sie ihre Wahl ein bißchen zu weise getroffen, denn Männer, die echte Loyalität zeigen, sind Männer von Gedanken und Prinzip, und solche sind immer anfällig für Ideen, die sichtbar besser sind als die, denen sie anhingen. Ein Wettstreit würde nicht aufkommen. Der Islam war eine Religion mit langer und ehrenvoller Geschichte, und von beiden Attributen traf keines auf das sterbende Regime zu, das der Oberst zu erhalten geschworen hatte.
»Es muß schlimm gewesen sein, in den Sümpfen zu kämpfen«, sagte der Mullah einige Minuten später zu ihm, als das Gespräch das Verhältnis zwischen den beiden islamischen Ländern berührte.
»Krieg ist ein Übel. Ich habe nie Vergnügen am Töten gefunden«, gab der Oberst zu. Es war beinahe, wie wenn ein Katholik im Beichtstuhl saß, und mit einemmal bekam der Mann feuchte Augen und erzählte einiges von Dingen, die er in den Jahren getan hatte. Jetzt sah er, daß sich, obzwar er dabei nie Vergnügen verspürt hatte, sein Herz verhärtet hatte und er schließlich nicht mehr in unschuldig und schuldig unterteilte, Gerechte und Korrupte; daß er getan hatte, was ihm gesagt wurde – weil es gesagt wurde, nicht weil es irgendwie das richtige gewesen wäre. Das erkannte er jetzt.
»Ein Mann strauchelt oft, doch durch die Worte des Propheten mögen wir immer wieder zu unserem barmherzigen Gott zurückfinden.
Die Menschen sind vergeßlich in bezug auf ihre Pflichten, aber Allah vergißt seine nie.« Der Mullah berührte den Arm des Offiziers. »Ich glaube, das waren noch nicht Ihre letzten Gebete heute. Gemeinsam werden wir zu Allah beten, und gemeinsam werden wir Frieden für Ihre Seele finden.«
Danach war es wirklich sehr leicht gewesen. Als der Oberst erfuhr, daß die Generäle gerade das Land verließen, gab es für ihn zwei gute Gründe zur Mitarbeit. Er hatte nicht den Wunsch zu sterben. Er war gern gewillt, dem Willen seines Gottes zu folgen, um am Leben zu bleiben. Um seine Ergebenheit zu zeigen, ließ er zwei Kompanien Soldaten zu den Mullahs kommen, um ihre Befehle zu erhalten. Das war sehr leicht für die Soldaten. Sie kannten nichts anderes, als den Befehlen ihrer Offiziere nachzukommen. Etwas anderes zu tun wäre ihnen nie in den Sinn gekommen.
*
In Bagdad dämmerte es jetzt, und an vielen großen Häusern wurden die Türen eingetreten. Manche Bewohner wurden wach angetroffen, andere völlig verschlafen. Manche hatten ihre Sachen gepackt und versuchten zu fliehen. Alle hatten sie ein bißchen zu spät begriffen, was vorging, und das an einem Ort, wo ein Versehen um eine Minute die Differenz zwischen einem glücklichen Leben und einem brutalen Tod sein konnte. Nur wenige leisteten Widerstand, und derjenige, der dabei dem Erfolg am nächsten kam, wurde mitsamt seiner Frau durch einer Salve aus einer AK-47 niedergestreckt. Die meisten wurden barfuß und gesenkten Hauptes aus ihren Häusern zu bereitstehenden Lkws geführt und wußten genau, wie das Drama für sie ausgehen würde.
Jene taktischen Funknetze waren nicht chiffriert, und die schwachen UKW-Signale wurden diesmal von STORM TRACK aufgenommen, das näher an Bagdad lag. Namen wurden genannt, und jeder mehr als einmal, da die Abholteams ihren Zentralen Rückmeldung machten, was den ELINT-Teams dicht an der Grenze und in King Khalid Military City die Arbeit erleichterte. Die Leute an den Überwachungsgeräten riefen ihre Aufsichten herbei, und CRITIC-Meldungen gingen per Satellit hinaus.
Ryan hatte gerade den letzten der neuen Senatoren zur Tür gebracht, da trat Andrea Price näher.
»Meine Schuhe bringen mich noch um, und ich habe eine …« Mitten im Satz brach Cathy ab.
»CRITIC-Meldungen gehen gerade ein, Sir.«
»Irak?« fragte Jack.
»Ja, Mr. President.«
Der Präsident küßte seine Frau. »Ich komme in einer Weile nach.«
Cathy blieb nichts übrig, als zu nicken und zum Fahrstuhl zu gehen, wo einer der Bediensteten darauf wartete, die First Lady hinaufzufahren. Die Kinder waren bereits im Bett. Ihre Hausaufgaben hatten sie sicher alle gemacht, in
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