Befehl von oben
Marineoffizier hinzu.
»Lassen einige Schiffe auslaufen.« Das war der offensichtliche Schluß.
»Nicht bloß eine technische Prüfung oder so was?«
»Dafür brauchten sie keine Schlepper. Wann ist der nächste Überflug?« fragte der Navy Commander mit einem Blick auf die Zeitreferenz des Fotos. Es war dreißig Minuten alt.
»Fünfzig Minuten.«
»Dann sollten drei oder vielleicht vier Schiffe an beiden beim Auslaufen zu sehen sein. Damit war's sicher. Jetzt, mein' ich, steht's zwei zu drei, daß sie mit einer größeren Übung loslegen.« Er hielt inne. »Irgendein politisches Heckmeck im Gange?«
Der diensthabende Wachoffizier schüttelte den Kopf. »Nichts.«
»Dann ist's 'ne FleetEx. Vielleicht will jemand ihre Bereitschaft prüfen.« Über die Flottenübung würde ihnen die Pressemitteilung aus Peking mehr sagen, aber das lag dreißig Minuten in der Zukunft, die sie nicht kannten, obwohl man sie gerade dafür bezahlte.
*
Bei seiner Bedeutung als wichtiger Geheimnisträger war der Direktor ein religiöser Mensch. Begnadeter Arzt, der er gewesen, und virologischer Wissenschaftler, der er noch immer war, lebte er in einem Land, das politische Verläßlichkeit an der Treue im schiitischen Glaubenszweig des Islam maß. Seine Gebete waren stets pünktlich, und seine Laborarbeit mußte sich danach richten. Von seinen Leuten verlangte er dasselbe, denn seine Grundsatztreue ging so weit, daß er islamische Grundsätze ungeniert übertrat. Regeln, die ihm im Weg waren, wurden wie Gummi verbogen; dabei sagte er sich, daß er weder dem Heiligen Wort des Propheten noch dem Willen Allahs zuwiderhandelte – wie könnte er nur?
Schließlich half er dabei, die Welt dem Wahren Glauben wieder näherzubringen.
Die Gefangenen, die Probanden des Experiments, waren alle auf eine oder andere Weise verdammt. Sogar die Diebe hatten als mindere Verbrecher dem Heiligen Koran zuwidergehandelt und hatten wohl auch andere Verbrechen auf dem Kerbholz, vielleicht auch solche, die den Tod verdienten. Jeden Tag erfuhren sie die Zeit zum Gebet, und obwohl sie sich niederknieten und verbeugten und die Gebete murmelten, war am TV-Monitor klar zu sehen, daß sie das Ritual bloß nachäfften, nicht die vorgeschriebenen Gebete an Allah richteten. Somit waren sie alle Abtrünnige – in ihrem Land ein Kapitalverbrechen –, obwohl nur einer dieses Verbrechens überführt worden war.
Jener hing der Baha'i-Religion an, einer fast ausgemerzten Minderheit; ein Glaube, dessen Struktur sich erst nach dem Islam ausgebildet hatte. Christen und Juden waren wenigstens Menschen des Buches; so irregeleitet ihre Religionen auch sein mögen, sie erkannten zumindest den gleichen Allmächtigen an, dessen letzter Bote Mohammed war. Die Baha'i waren später hinzugekommen, erfanden etwas Neues und Falsches, was sie zu Heiden abstempelte, die dem Wahren Glauben abschworen. Es war nur recht und billig, daß dieser Mann den Erfolg des Experimentes als erster zeigte.
Auffällig war, daß die Gefangen von ihren Bedingungen so abgestumpft waren, daß auftretende Grippesymptome zunächst keine auslösten. Die Sanitäter traten ein, wie immer in voller Schutzkleidung, um Blutproben zu entnehmen, und die Insassen waren viel zu eingeschüchtert, um etwa Schwierigkeiten zu machen. Alle waren schon länger im Gefängnis, die Mangeldiät hatte ihre Energie abgezapft, und die Tagesdisziplin war so streng, daß kein Widerstand aufkommen konnte. Alle fügten sich gehorsam der Blutentnahme durch die außerordentlich vorsichtigen Sanitäter. Die Röhrchen wurden sorgfältig mit den Bettennummern beschriftet, und die Sanitäter zogen sich zurück.
Im Labor wurde das Blut vom Patienten Nummer drei als erstes mikroskopiert. Es gab beim Antikörpertest eine gewisse Neigung zu falschpositiven Ergebnissen, und für ein Fehlerrisiko war dies zu wichtig. Also kamen präparierte Objektträger unter die Elektronenmikroskope, zunächst bei 20.000-facher Vergrößerung für Flächensuche. Hochpräzisionsgetriebe ermöglichten die Feineinstellung der Instrumente, und die Träger wurden nach rechts und links, nach oben und unten bewegt, bis …
»Ah«, sagte der Direktor. Er zentrierte sein Ziel in der Sichtfläche, dann schaltete er auf 112.000-fache Vergrößerung hoch … und da war es, in Monochromdarstellung auf den Bildschirm projiziert. Sein Kulturkreis wußte viel vom Hirtentum, und der Aphorismus »Hirtenstab« schien ihm völlig passend. Zentriert war der RNA-Strang,
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