Befehl von oben
Nationale Sicherheitsberater. Der Secret Service hatte ihm gerade den Codenamen CARDSHARP verpaßt.
»Und?« fragte Ryan, über den möglicherweise verdorbenen Morgen verärgert.
»Und es sieht wie eine wesentliche Flottenübung aus, und es soll scharfe Raketenabschüsse geben. Bislang keine Reaktion von Taipeh.«
»Die haben doch keine anstehenden Wahlen oder so was?« fragte Jack.
Goodley verneinte. »Nicht vor Ablauf eines Jahres. Die ROC gibt weiterhin Geld bei der UNO aus, und ihre Lobbyisten bearbeiten eine Menge Länder für einen Antrag auf Vertretung. Aber das ist nichts Neues. Taipeh spielt seine Karten vorsichtig aus und macht keinen Lärm, der das Festland verärgern könnte. Wir haben, kurz gesagt, keine Erklärung für die Übung.«
»Was haben wir denn in der Gegend?«
»Ein U-Boot in der Formosastraße, es behält ein chinesisches SSN im Auge.«
»Träger?«
»Nichts näher als im Indischen Ozean. Stennis ist für Maschinenarbeiten wieder in Pearl, Enterprise genauso, und beide werden 'ne Weile dort bleiben müssen. Wir haben noch immer nicht viel auf Lager.«
CARDSHARP erinnerte somit den Präsidenten schmerzhaft daran, was dieser vor so kurzer Zeit noch seinem Präsidenten gesagt hatte.
»Wie steht's mit ihrer Armee?« fragte der Präsident als nächstes.
»Auch da nichts Neues. Das Aktivitätsniveau ist unüblich hoch, wie die Russen gesagt haben, aber das geht schon 'ne Weile so.«
Ryan lehnte sich im Sessel zurück und schaute nachdenklich auf seine Tasse Koffeinfreien. Auf seiner redeschwingenden Reise hatte er festgestellt, daß der seinem Magen wirklich besser tat und dies auch Cathy gegenüber erwähnt; sie hatte bloß gelächelt und gemeint, hab' ich's dir nicht gesagt? »Okay, Ben. Spekuliere.«
»Ich bin's mit einigen China-Leuten im Außenministerium und der Agency durchgegangen«, antwortete Goodley. »Vielleicht macht ihr Militär einen politischen Zug, innenpolitisch, mein' ich, mit Erhöhung des Bereitschaftsgrads, um den anderen im Politbüro in Peking klarzumachen, daß sie noch dabei und von Bedeutung sind. Davon abgesehen, ist alles andere reine Spekulation, und das soll ich hier nicht tun, Boß, so war's doch, oder?«
»Und ›weiß nicht‹ heißt weiß nicht, richtig?« Die Frage war rhetorisch und eine der Lieblingsbemerkungen Ryans.
»Das haben Sie mir drüben in Langley beigebracht, Mr. President«, stimmte Goodley zu, aber ohne das erhoffte Lächeln. »Sie haben mich auch gelehrt, nicht zu mögen, was ich nicht erklären kann.« Der NIO hielt inne. »Die wissen, wir wissen's, und die wissen, es interessiert uns, und die wissen, Sie sind hier neu, und die wissen, Sie können keinen Ärger gebrauchen. Also, warum tun die so was?« Goodleys Frage war auch rhetorisch.
»Alles klar«, stimmte der Präsident leise zu. »Andrea?« sagte er. Price war wie üblich im Raum und tat so, als höre sie nicht zu.
»Yes, Sir?«
»Wo ist der nächste Raucher?« Ryan sagte es ohne eine Spur von Scham.
»Mr. President, ich glaube nicht …«
»Den Teufel glauben Sie. Ich will eine.«
Price nickte und verschwand ins Sekretariat. Sie erkannte die Zeichen so gut wie jeder andere. Wechsel zum Koffeinfreien, und jetzt auch noch 'ne Fluppe. Irgendwie hatte es überrascht, daß es so lange gedauert hatte, und das sagte ihr mehr über die Intelligence-Besprechung aus als Dr. Benjamin Goodleys Worte.
Es mußte eine Raucherin sein, das sah der Präsident nach einer Minute. Wieder eine der Slims. Neben ihrem tadelnden Blick brachte Price auch Feuerzeug und Aschenbecher mit. Er fragte sich, ob FDR und Eisenhower auch so behandelt worden waren.
Seinen ersten Zug nahm Ryan tief in Gedanken. China war im Konflikt mit Japan der stille Teilhaber gewesen. Vermeintlich. Es hatte Sinn, alles paßte gut zusammen, gab aber keine Beweise der Art, um ein SNIE – Special National Intelligence Estimate – auszupolstern, geschweige denn als Vorlage für die Medien zu dienen, die oftmals den gleichen Zuverlässigkeitsgrad verlangten wie ein besonders konservativer Richter.
So … Ryan nahm den Telefonhörer. »Geben Sie mir Direktor Murray.«
Eine der besseren Seiten der Präsidentschaft war's Telefonieren. »Bitte warten Sie, ich verbinde mit dem Präsidenten«, der einfache Satz einer Sekretärin im White House reichte stets für einen Augenblick fast panischer Reaktion am anderen Ende welcher Leitung auch immer. Selten vergingen mehr als zehn Sekunden, bis die Verbindung stand. Diesmal
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