Befehl von oben
anbrechenden Tag in unserem Nachbarland beizusteuern. Lange genug haben die Bürger Iraks an den Taten ihres einstigen Herrschers gelitten. Dieser Herrscher ist verschwunden, und die neue Regierung weist alle Zeichen auf, in die Völkergemeinschaft wieder eintreten zu wollen. Daher unterstützt die Islamische Republik Iran die sofortige Aufhebung des Embargos. Wir werden darüber hinaus die notfallmäßige Überführung von Nahrungsmitteln einleiten, um den Bürgern Iraks Erleichterung zu bringen. Der Iran schlägt vor, daß die Aufhebung abhängig gemacht wird von der weiterhin guten Führung des Irak. Dazu legen wir den Resolutionsentwurf 3659 vor.«
Scott Adler war nach New York raufgeflogen, um im Rat den Sitz für Amerika einzunehmen. Sowenig das auch bewirkte, dachte Adler.
Oft genug war es diplomatisch am günstigsten, genau das zu tun, was der Gegner verlangte. Es war 1991 die größte Angst gewesen, daß Irak sich einfach zurückziehen, Amerika mit seinen Alliierten ohne Aufgabe zurücklassen und die Streitkräfte Iraks für spätere Kämpfe intakt erhalten würde. Das aber war glücklicherweise eine Option, die für den Irak zu raffiniert gewesen war. Irgend jemand hatte aber daraus gelernt. Wenn man verlangte, daß jemand etwas tat, oder aber etwas verwehrte, das er benötigte, und die Person sich dann fügte – nun, dann war es doch schwer, der Person das zu verwehren, was sie ihrerseits verlangte, oder?
Daß man Adler zur Sachlage voll eingewiesen hatte, brachte nicht viel ein. Wie beim Pokerspiel zeigte sich, daß gute Information alleine' nicht immer half. Nur die tranige Vorgangsweise der UNO hätte die Vorgänge noch bremsen können. Adler hätte zwar eine Rückstellung der Abstimmung verlangen können, um Einhaltung langbestehender UNO-Forderungen durch den Irak sicherzustellen, aber der Iran hatte dem bereits durch vorübergehende Aufhebung des Embargos vorgebeugt. Auch hatten sie sehr klar gemacht, daß sie die Nahrungsmittel auf jeden Fall verschiffen würden – ja es sogar schon getan hatten. Der SecState sah zu seinem Botschafter hinüber – seit Jahren waren sie Freunde – und fing das ironische Blinzeln auf. Der britische Botschafter betrachtete seinen Notizblock mit Bleistift-Doodles. Der russische las Mitteilungen. Keiner hörte wirklich zu. War ja nicht nötig. In zwei Stunden würde die Iranische Resolution durchgehen. Na ja, es hätte eigentlich schlimmer kommen können. So hätte er noch Gelegenheit, dem Botschafter Chinas ins Gesicht zu fragen, was es mit dem Manöver auf sich hatte. Die Antwort kannte er schon, und ob es die Wahrheit wäre, wußte er natürlich nicht. Da bin ich nun Außenminister des mächtigsten Staates der Erde, dachte Adler, aber heute bin ich nur ein Zuschauer.
26
Unkraut
Es gibt kaum etwas Betrüblicheres als ein krankes Kind. Sohaila hieß sie, erinnerte sich Dr. MacGregor. Ein hübscher Name für ein hübsches, elfenhaftes Mädchen. Ihr Vater trug sie auf den Armen. Er erschien MacGregor ein brutaler Typ zu sein, wenngleich von der Sorge um sein Kind verwandelt. Seine Frau tappte hinter ihm her mit einem anderen arabisch aussehenden Mann im Jackett, und hinter dem wiederum kam ein amtlich aussehender Sudanese. Der Arzt bemerkte sie alle und übersah sie gleich wieder. Sie waren nicht krank, aber Sohaila war es.
»Na, schon wieder hier, meine junge Dame?« sagte er mit einem tröstlichen Lächeln. »Dir geht es nicht gut, hm? Da müssen wir was dagegen tun, nicht wahr? Kommen Sie mit«, sagte er zum Vater.
Diese Leute waren für irgend jemand eindeutig wichtig und würden entsprechend behandelt. MacGregor führte sie zum Untersuchungszimmer. Der Vater setzte das Mädchen auf den Tisch, trat zurück und ließ seine Frau Sohailas Hand halten. Die Leibwächter – das mußten sie sein – blieben draußen. Der Arzt legte dem Kind die Hand an die Stirn.
Sie glühte – 39 Grad mindestens. Nun denn. Er wusch sich gründlich die Hände und zog Handschuhe über, weil dies eben Afrika war, und in Afrika war größte Vorsicht geboten. Seine erste ernsthafte Handlung war, ihr die Temperatur zu messen: 39,4. Der Puls ging rasch, war aber nicht besorgniserregend. Kurzes Abhören mit dem Stethoskop ergab normale Herztöne und keine Besonderheiten an der Lunge, aber ihr Atem ging ziemlich schnell. Soweit konnte er nur Fieber feststellen, was bei kleinen Kindern kaum ungewöhnlich war. Er blickte auf.
»Was scheint denn Ihrer Tochter zu fehlen?«
»Sie
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