Befehl von oben
Tierart. Wußten diese Narren nicht, daß Wölfe Menschen töteten?
»Vielleicht gehen sie wieder«, sagte Maria, die neben ihm auftauchte.
»Ich glaube nicht.«
»Dann müssen wir drinnen bleiben, bis sie gehen«, sagte seine Frau, von der Entwicklung entsetzt.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Maria.«
»Aber was ist, wenn sie uns zurückschicken?«
»Das werden sie nicht. Überläufer werden nicht so behandelt«, erklärte er. »Wir haben Philby, Burgess oder MacLean – verkommene Säufer durch die Bank – nie zurückgeschickt. O nein, wir haben ihnen Schnaps gekauft und sie in ihren Perversionen zappeln lassen.« Er trank den Kaffee aus und ging in die Küche, um Tasse und Untertasse in den Geschirrspüler zu tun und verzog das Gesicht beim Anblick. Seine Wohnung in Moskau und die Datscha in den Leninbergen – die hießen wohl inzwischen anders – hatten kein solches Gerät gehabt. Für solche Aufgaben hatte er Diener gehabt. Nicht mehr. In Amerika trat Bequemlichkeit an die Stelle von Macht und Komfort an die Stelle von Status.
Diener. Er hätte alles haben können: Status, Diener, Macht. Die Sowjetunion könnte immer noch eine große Nation sein. Er wäre Generalsekretär der KPdSU geworden. Er hätte die notwendigen Reformen einleiten können, um die Korruption auszumerzen und das Land wieder voranzubringen. Er hätte wahrscheinlich auch eine Annäherung an den Westen vollzogen und Frieden geschlossen, aber das wäre ein Frieden unter Gleichen gewesen. Ideologe war er ja nie gewesen, egal was der alte Aleksandrow gemeint hatte, und Gerasimow war stets Parteimann gewesen – nun, was anderes gab's im Einparteienstaat nicht. Besonders, wenn man wußte, daß einen das Schicksal zur Macht auserkoren hatte.
Aber das Schicksal hatte ihn betrogen mittels John Patrick Ryan, in einer schneekalten Nacht in Moskau, auf dem Sitz einer alten Tram in der Remise. Und so hatte er jetzt Komfort und Sicherheit. Seine Tochter würde bald heiraten: was man hier ›altes Geld‹, in anderen Ländern Adel, und er einen wertlosen Tunichtgut nannte. Seine Frau war zufrieden mit ihren Haushaltsgeräten und dem kleinen Freundeskreis. Und seine persönliche Wut hatte sich nie gelegt.
Ryan hatte ihm sein Schicksal geraubt, die schiere Freude an Macht und Verantwortung, daran, Gebieter über den Werdegang seiner Nation zu sein – und dann hatte Ryan ebendieses Schicksal auf sich genommen, und der Narr wußte nicht damit umzugehen. Die wahre Schande war, von so einer Person abgesäbelt worden zu sein. Nun, eines konnte er tun, oder? Gerasimow ging in den Windfang vor der Hintertür, nahm sich eine Lederjacke und ging nach draußen. Er dachte einen Augenblick nach. Ja, er würde sich eine Zigarette anzünden und einfach die vierhundert Meter über die Zufahrt zu ihnen hingehen. Unterwegs könnte er sich überlegen, wie er seine Bemerkungen formulieren würde und seine Dankbarkeit an Präsident Ryan. Er hatte nie aufgehört, Amerika zu studieren, und seine Beobachtungen, wie die Medien dachten, würden ihm nun gut zu Diensten sein, meinte er.
*
»Hab' ich dich geweckt, Skipper?« fragte Jones. In Pearl Harbor war es etwa vier Uhr früh.
»Nicht ganz. Mein Offizier für Öffentlichkeitsarbeit is 'ne Frau, weißte, und schwanger. Hoffentlich führt der ganze Scheiß nicht zur Frühgeburt.« Konteradmiral (nun Vizeadmiral in spe) Mancuso war am Schreibtisch, und sein Telefon klingelte weisungsgemäß nicht ohne Grund. Ein alter Schiffskamerad war so ein Grund.
»NBC hat mich angerufen. Fragten nach 'ner kleinen Sache, die wir im Atlantik erledigt haben.«
»Was hast du gesagt?«
»Was glaubst du, Skipper? Nullo.« Außer der Ehre bei der Sache war da noch, daß Jones die meisten Aufträge von der Navy bekam. »Aber …«
»Yeah, irgendwer wird plaudern. Irgendwer immer.«
»Die wissen schon zuviel. Die Today Show bringt eine Liveschaltung aus Norfolk, vom 8/10-Dock. Du wirst dir denken können, was die sagen.«
Mancuso dachte dran, den Bürofernseher anzuwerfen, aber es war noch zu früh für NBC Morning News – nein. Er schaltete doch ein und zu CNN. Noch kam Sport, aber bald war die Stunde voll.
»Nächstens fragen die über 'n anderen Job, den mit dem Schwimmer.«
»Offene Leitung, Dr. Jones«, warnte COMSUBPAC.
»Kein Ort genannt, Skipper. Du sollt'st nur drüber nachdenken.«
»Yeah«, stimmte Mancuso zu.
»Vielleicht kannst du mir eins sagen.«
»Was denn, Ron?«
»Was geht da ab? Ich meine, sicher,
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