Befreiung vom Schleier - wie ich mich von meinem türkischen Freund und aus der islamischen Parallelwelt lösen konnte
gibt auch gewalttätige Frauen, auch wenn die Medien seltener darüber berichten, weil die meisten von Gewalt betroffenen Männer sich zu sehr schämen, um mit ihrer Erfahrung an die Öffentlichkeit zu gehen.
Aber natürlich ist es so, dass eine Frau, die – so wie ich – einige Jahre in unserer sogenannten Parallelgesellschaft gelebt hat, besonders auf Zeitungsmeldungen oder Medienberichte achtet, die ihre eigenen Erfahrungen widerspiegeln.
Es beschäftigte mich, wenn ich las, dass wieder einmal eine Frau durch die Hand ihres Partners ihr Leben verloren hatte, warum niemand aus dem sozialen Umfeld des Paares, Verwandte oder zumindest Nachbarn, auf das Dilemma aufmerksam wurde, das sich ja meist im Verlauf von Monaten oder Jahren aufbaut, bis es zur finalen, tödlich endenden Gewaltattacke kommt.
Schließlich hatte ich selbst mein Überleben einer Frau zu verdanken, die nicht weggeschaut, sondern rechtzeitig Hilfe geholt hatte. Eine Arbeitskollegin hatte sich von Mahmuds Lügen nicht irritieren lassen und die Polizei gerufen, als sie Grund zur Vermutung hatte, dass ich schwer verletzt in meiner Wohnung liegen würde, während Mahmud mir jegliche ärztliche Hilfe verweigerte.
Der zweite und ausschlaggebende Grund, warum mich das Thema häusliche Gewalt nicht losließ, war dann ein Fall, auch wenn er völlig anders gelagert war. Die meisten werden sich noch an den Fall Josef Fritzl erinnern, der sich 2008 in Österreich zugetragen hat. Dort hatte ein Vater seine Tochter rund 24 Jahre in einer unterirdischen Wohnung gefangen gehalten und mehrere Kinder mit ihr gezeugt. Erst nachdem eines der älteren Kinder lebensgefährlich erkrankt war, gelang es der Tochter, aus der Gefangenschaft zu entkommen.
Der Fall erhielt sehr viel Aufmerksamkeit und die Medien belagerten den Ort des Geschehens wochenlang. Noch heute lebt die Tochter mit den Kindern an einem geheimen Ort. Der Vater wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Ich konnte die ganze Aufregung damals nicht so wirklich nachvollziehen. Schließlich hatte ich hier in Deutschland oft genug erlebt, dass Mädchen und junge Frauen jahrelang in Wohnungen eingesperrt und nicht selten mit einem Cousin zwangsverheiratet wurden.
Viele dieser Frauen können das öffentliche Leben maximal vom Balkon oder Fenster aus beobachten, und selbst das ist manchen von ihnen untersagt.
Ihr Leben spielt sich ausschließlich auf den 50 bis 80 Quadratmetern ihrer Wohnung ab, und nicht selten wird ihnen sogar ärztliche Hilfe verweigert, wenn sie diese benötigen.
Meistens werden sie auch in der Wohnung eingeschlossen, wenn der Mann sie verlässt, und die Frau ist dann den ganzen Tag sich selbst überlassen.
Zweifellos war der Fall der Familie Fritzl anders gelagert, er hatte ja auch seine mit der Tochter gezeugten Kinder und die eigene Mutter jahrelang in Verliesen eingesperrt, aber trotzdem konnte ich Gemeinsamkeiten zu Vorkommnissen hier entdecken.
Für mich war damit auch der Zeitpunkt gekommen, um Rüdiger von meiner Vergangenheit zu erzählen. Er wunderte sich natürlich auch über meine Haltung zu dem Fritzl-Fall und ich kam in Erklärungsnot.
Im Nachhinein kann ich mir vorstellen, dass es sehr schwer für ihn war zu erfahren, dass die Frau, die er liebte, schon so gequält und misshandelt worden war in ihrem Leben, aber dadurch konnte er nun viele meiner Verhaltensweisen besser nachvollziehen.
Es ist für mich mit das Schlimmste, wenn mir Dinge außer Kontrolle zu geraten drohen. Das muss gar nichts Großartiges sein. Ich ertrage es nur schwer, selbst kleine Entscheidungen, die mich betreffen, abzugeben. Rüdiger konnte das nie verstehen. Er meinte es ja immer nur gut mit mir. Aber wenn man viele Jahre noch nicht einmal selbst entscheiden darf, was man essen will und was nicht, dann bekommt ein Verhalten wie meines eine andere Dimension.
Nachdem ich ihm nach und nach von meinem vierjährigen Martyrium erzählt hatte, kam mir erstmals die Idee, all das aufzuschreiben und meine Geschichte zu veröffentlichen.
Ich wusste aus eigener Erfahrung, dass, wenn man in einer Gewaltbeziehung steckt, einem meist die so dringend notwendigen positiven Visionen und der Glaube an eine bessere Zukunft abhandenkommen. Ich wollte anderen Frauen in ähnlich schlimmen Situationen, wie ich sie mit Mahmud erlebt hatte, Mut machen. Denn war ich nicht das beste Beispiel dafür, dass es auch nach einer privaten Katastrophe wieder ein schönes Leben geben kann?
Ich war nur mit den paar Klamotten, die
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