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Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Titel: Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niko Paech
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Konsumsymbolik soll das weniger nachhaltige Andere, welches vom selben Individuum praktiziert wird, kaschieren oder kompensieren. Das viel diskutierte »Greenwashing« dient also nicht zuvorderst der Unternehmensreputation. Vielmehr geht es um die Marktidee, Nachfragern eine zur ökologisch weißen Weste passende Konsumsymbolik anzudienen. Diese reicht von Bionade über die Passivhausästhetik bis zu Atmosfair.
    Nun beschränkt sich die Logik des moralischen Kompensationsgeschäftes keineswegs auf Marktgüter, sondern umfasst symbolische Handlungen jeglicher Art. Auch der demonstrativ in Sack und Asche daherkommende Subsistenzaktivist aus der Berliner Alternativszene muss davon nicht ausgenommen sein: Heute im heimischen Community Garden buddeln, übermorgen in einem New Yorker Jazz-Club die Beine ausstrecken, danach wieder Berlin – nichts ist unmöglich im globalen Dorf. Die dank Ryanair & Co. hypermobile Multioptionsgesellschaft baut Individuen zum Trägermedium paralleler Identitäten, Lebensführungen und sozialer Praktiken auf. Inmitten der Palette jederzeit abrufbereiter Selbstdarstellungsapplikationen lässt sich immer auch eine vorzeigbare Nachhaltigkeitsgesinnung unterbringen – natürlich additiv und nur in Teilzeit versteht sich.
    Das Gros der zu diesem Zweck verfügbaren Bio-zertifizierten Symbole einer vorgeblichen Nachhaltigkeitsorientierung hilft dabei, aktuelle Versorgungsmuster gegen notwendigen Wandel zu immunisieren. Aber es nützt nichts: Per se nachhaltige Technologien und Objekte sind schlicht undenkbar. Allein Lebensstile können nachhaltig sein. Nur die Summe der ökologischen Wirkungen aller von einem einzelnen Subjekt ausgeübten Aktivitäten lässt Rückschlüsse auf dessen Nachhaltigkeitsperformance zu. Folglich können Nachhaltigkeitswirkungen ausschließlich auf Basis individueller Ökobilanzen dargestellt werden. Folgt man dem bereits angesprochenen Budgetansatz, so stünde jedem Erdbewohner bis 2050 noch ein jährliches Emissionsquantum von 2,7 Tonnen CO2 zur Verfügung. Wer diese Forderung ablehnt, will entweder keinen Klimaschutz oder keine globale Gerechtigkeit. Die durchschnittliche CO 2 -Bilanz eines Bundesbürgers wird derzeit auf desaströse elf Tonnen pro Jahr geschätzt.
    Die hiermit angesprochene Subjektorientierung ließe sich auf unterschiedliche Weise ausgestalten. Einer alleinigen Orientierung an CO 2 mag entgegengehalten werden, dass andere Umweltwirkungen ausgeblendet werden. Eine Alternative zum individuellen Carbon Footprint böte der Ecological Footprint. Er zielt darauf, die Gesamtheit ökologischer Auswirkungen in Flächeneinheiten darzustellen. Dieser Indikator lässt sich auch auf individueller Ebene anwenden. Jede Ökobilanzierung ist mit Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung sowie Abgrenzung, Zurechnung und Gewichtung einzelner Wirkungen behaftet. Aber sie ist alternativlos. Inzwischen hat sich die hierzu erforderliche Lebenszyklusanalyse fortwährend weiterentwickelt. Die Anzahl der Projekte und Unternehmen, die dieses Verfahren zwecks Ermittlung der kumulierten Umweltwirkungen entlang der gesamten Herstellungskette – von der ersten Ressourcenextraktion bis zur Entsorgung durch den Endnutzer – anwenden, ist gestiegen.
    Unternehmen könnten verpflichtet werden, ihren Nachfragern die nötigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Jede Wertschöpfungsstufe könnte die kumulierten Daten der jeweils vorgelagerten Stufe verwenden und durch die Resultate der eigenen Ökobilanzierung vervollständigen, um sie dann an die nachgelagerten Prozessstufen weiterzugeben. Der Einzelhandel als Schnittstelle zu den Endnutzern könnte diese durch ein zweites Preisetikett oder durch eine Hinterlegung der Daten im Internet informieren. So wäre jeder Konsument in der Lage, seine individuelle Ökobilanz zumindest grob abzuschätzen. Solange Unternehmen hierzu nicht per Gesetz verpflichtet sind, können Pionierunternehmen, die ihren Nachfragern derartige Informationen anbieten, Wettbewerbsvorteile erzielen und damit Standards setzen. Darüber hinaus bestehen (zumindest bezogen auf CO 2 -Emissionen) schon jetzt buchstäblich kinderleichte Möglichkeiten, auf Basis von Durchschnittswerten für sämtliche Konsum- und Mobilitätsaktivitäten individuelle CO 2 - oder Ökobilanzen zu erstellen. Hierzu zählen die sich zusehends verbreitenden Online-CO 2 -Rechner und der besonders hervorzuhebende Pendos-CO 2 -Zähler. Bei Letzterem handelt es sich um ein kleines Taschenbuch

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