Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
– eine Art »Klimaschutz-Knigge« –, das über den Buchhandel oder direkt beim Projekt CO 2 -Online einfach zu beziehen ist. Es ordnet allen wichtigen Produkten und Handlungen die ungefähr damit korrespondierenden CO 2 -Werte zu.
Auch wenn der Zielwert von ungefähr 2,7 Tonnen nicht von heute auf morgen zu erreichen ist, bildet er den nicht zu hintergehenden Fluchtpunkt einer nachhaltigen Entwicklung, die überhaupt diesen Namen verdient. Dazu bräuchte es keine Weltregierung oder Ökodiktatur, sondern einfach nur etwas mehr Ehrlichkeit. Jedenfalls sind Nachhaltigkeitsbemühungen, die sich an der Subjektorientierung vorbeischummeln, nicht nur überflüssig, sondern schädlich. Sie reproduzieren die Schizophrenie einer Gesellschaft, deren Nachhaltigkeitsziele nie lauter bekundet wurden und deren Lebenspraktiken sich nie weiter davon entfernt haben.
Kapitel V
Genug ist nie genug –
Wachstumszwänge und Wachstumstreiber
Wenn von Wachstumszwängen, -treibern oder -imperativen die Rede ist, dürfen diese nicht mit Wachstumstheorien verwechselt werden. Erstere liefern Erklärungen dafür, warum moderne Versorgungssysteme ohne Wachstum ökonomisch oder sozial nicht zu stabilisieren sind. Letztere befassen sich damit, wie und auf Basis welcher Einflussfaktoren wirtschaftliches Wachstum zustande kommt.
Strukturelle Wachstumszwänge
Fremdversorgungssysteme beruhen darauf, die Distanz zwischen Verbrauch und Produktion stetig zu vergrößern. Wenn Produktionsprozesse, die vormals an einen Standort gebunden waren, in viele spezialisierte Fertigungsstufen zerlegt werden, können diese flexibel und ortsungebunden je nach Kosten- oder Qualitätsvorteilen verschoben werden. Aber jede Spezialisierungsstufe muss vor der Produktionsphase die benötigten Inputfaktoren vorfinanzieren, also investieren. Das dazu benötigte Fremdkapital kostet Zinsen; Eigenkapital verlangt nach einer hinreichenden Rendite. Außerdem nimmt mit der räumlichen Entgrenzung der Bedarf an physischen Infrastrukturen und Anlagen zu, die einem ständigen Verschleiß unterworfen sind.
Folglich muss pro Periode von jedem Unternehmen ein Überschuss (nach Abzug der »reinen« Produktionskosten) erzielt werden, der nicht geringer als die Summe von Fremdkapitalzinsen, Eigenkapitalrenditen und Kosten der Instandhaltung bzw. Reproduktion des physischen Kapitals ist. Das zur Stabilisierung des Gesamtprozesses minimale Wachstum an Wertschöpfung steigt also tendenziell mit der Spezialisierung, das heißt der Anzahl eigenständiger Betriebe und deren jeweiligen Überschusserfordernissen.
Der Ökonom und Geldtheoretiker Hans Christoph Binswanger hat den strukturellen Wachstumszwang in Verbindung mit dem Einkommens- und Kapazitätseffekt einer Investition analysiert. Zu beachten ist dabei, dass der Einkommenseffekt vor dem Kapazitätseffekt einsetzt, weil zunächst das Kapital investiert wird und erst nachher ein Verkauf der Produktionsmenge möglich ist. Investitionen, die heute getätigt werden, erhöhen sofort das Einkommen der Haushalte. Aber die aus der Investition resultierende Produktionsmenge kann erst später, also in der Folgeperiode abgesetzt werden. Die Haushalte kaufen daher heute die Produktion von gestern. Auf diese Weise geht die Steigerung der Nachfrage der Steigerung des Angebots voraus.
Wenn einerseits die Ausgaben den Einnahmen vorauseilen, aber andererseits sich beides in Form von Geldzahlungen äußert, deren Differenz dem Gewinn entspricht – wie kann dieser innerhalb einer Periode dann je positiv sein? Dies ist nur möglich, wenn die Zahlungslücke auf der Nachfrageseite durch zusätzliche Nettoinvestitionen ausgeglichen wird, die das entsprechende Einkommen schaffen. Ein extrem schlichtes Zahlenbeispiel soll dies verdeutlichen: Wir betrachten eine Mini-Ökonomie, bestehend aus einem Konsumgüterproduzenten und einer unbestimmten Anzahl von Arbeitnehmern sowie Anbietern weiterer Inputfaktoren. Sie sind zugleich die Konsumenten, das heißt für die Güternachfrage innerhalb einer bestimmten Periode kann nur ausgegeben werden, was in dieser Periode an Löhnen und Ressourcenentgelten gezahlt wird.
Periode 1: Die Unternehmung beginnt ihre Tätigkeit; sie wendet 1.000 Euro auf, um 750 Euro an Löhnen und 250 Euro für sonstige Inputfaktoren zu finanzieren.
Periode 2: Der Output soll für 1.000 Euro plus X Euro verkauft werden, andernfalls entstünde kein Gewinn. Angenommen X = 100 Euro (die folgende Argumentation gilt für jedes beliebige
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