Begegnung im Schatten
äußerlich ließ er sich weder Ungeduld noch Gespanntheit anmerken.
Sandra Georgius’ Verhältnis zu Stephan Ramlundt hatte sich seit jenem Abend geändert, an dem er versucht hatte, frühere Kontakte zu reaktivieren. Sie glaubte, betont sachlicher Umgang wäre schon deshalb angebracht, um keinen Anlass zu bieten, der den Mann auf einen Sinnenswandel ihrerseits schließen ließ. Ihre Haltung fiel ihr umso schwerer, je mehr er durch Gesten, Blicke und manchmal auch Anspielungen demonstrierte, das er nicht aufgegeben hatte. Und manchmal, wenn sie gar zu kühl reagierte, gab er sich eingeschnappt und launisch. Natürlich empfand Sandra dieses Spannungsfeld der Aufgabe äußerst abträglich. Sie sah sich jedoch außer Stande, etwa auf ihre Kosten eine Änderung herbeizuführen. So setzte sie auf den künftigen Fortgang der Arbeiten mit mehr als interessanten Ergebnissen und höchster Beanspruchung, die auch Stephan Ramlundt voll in Anspruch nehmen und Anderes in den Hintergrund treten lassen würden.
Am frühen Abend, Roman Eiselt hatte Sandra als Aufpasser abgelöst, saß diese mit Stephan wieder in der Gaststätte – am gleichen Tisch wie am Vorabend.
Abermals versuchte der Mann, das Gespräch auf den gemeinsamen Afrikaaufenthalt und dortige einprägsame Erlebnisse zu lenken, vermied jedoch Anspielungen auf ihre damalige Nähe.
Dennoch waren Sandra die mit Hundeblicken untermalten Schilderungen zuwider, aber sie ertrug sie tapfer – weil sie sich erstens keine Blöße geben wollte und sie zweitens einen Bärenhunger verspürte, der ihr einen vorzeitigen Rückzug verbot. Eine kleine Begebenheit machte sie sich jedoch zunutze, um vom Thema abzulenken: Ein junger Mann jenseits des raumtrennenden Mäuerchens hatte die Wasserpumpe aus dem Aquarium gehoben und machte sich an deren Innereien zu schaffen. Sandra ließ sich die Funktion des Gerätes erklären und fragte in der Tat interessiert, wie man den Rotor in Umdrehungen versetze, ohne die Stromzufuhr dem Wasser auszusetzen. Schließlich ergäbe das einen Tauchsiedereffekt, und man wolle ja wohl die Fischchen letztendlich nicht kochen.
Der junge Mann lächelte. „Der Rotor…“, er hielt Sandra das Teil unter die Nase, „besteht aus einem Dauermagneten. Im Inneren des wasserdichten Gehäuses wird ebenfalls ein Magnetfeld erzeugt, das durch die Wandung wechselnd auf das des Rotors einwirkt. Gleiche Pole…“
„… stoßen sich ab“, fiel Sandra ihm unernst angeberisch ins Wort, „und deshalb dreht sich das Ding. Simpel, aber genial. Da muss man erst darauf kom…“ Sie unterbrach sich plötzlich und wandte sich so abrupt vom Wasserpumpenreparateur ab, dass dieser irritiert sich beinahe mit dem Schraubendreher verletzt hätte.
Stephan Ramlundt hatte nach seinem Glas gegriffen. Sandra fasste seinen Unterarm, rüttelte den, sodass Bier auf den Tisch schwappte. „Das ist es“, rief sie. „Mensch, das ist es!“
Der Mann brachte sein Getränk in Sicherheit und blickte die Frau an, als wüchse ihr plötzlich ein Gehörn oder ähnlich Überraschendes.
„Mann“, setzte sie euphorisch erklärend fort: „So geht die Luke auf von außen, so muss sie aufgehen, verstehst du? Wir setzen einen Magneten an, und husch, sind wir drin!“
Stephan runzelte die Stirn. Sichtbar teilte er ihren Enthusiasmus nicht. Nach einer Weile des Nachdenkens sagte er schulterzuckend. „Es gibt solche Mechanismen – aber warum, glaubst du, soll gerade hier ein solches Prinzip wirken?
Es gäbe eine Menge anderer Möglichkeiten, Funk zum Beispiel, eine uns unbekannte Strahlung oder Sensoren an einer Stelle, die wir nicht entdeckt haben und…“
Sandra winkte betont ab. Noch immer erregt sagte sie: „Viel zu kompliziert, alles viel zu kompliziert! Nur in einem Notfall muss so ein Gefährt von außen geöffnet werden, und zwar schnell. Da kann man nicht warten, bis irgendwelche Geräte herbeigeschafft sind.“
„Nun, dann zeige mir mal deinen Magneten, den du ständig bei dir hast!“, stichelte Stephan selbstgefällig lächelnd.
Sandra Georgius stutzte, setzte an, seine Anzüglichkeit gereizt zurückzuweisen. Doch plötzlich entspannte sie sich sichtlich. Ihr Gesicht nahm einen Ausdruck heiteren Spotts an. Sie nahm ihre Gürteltasche auf, wühlte einen Augenblick darin herum, fand offenbar das Gesuchte nicht sogleich und schüttete dann den Inhalt mit einem Ruck auf den Tisch. Triumphierend fischte sie aus Taschentuch, Schreiber, Notizblock, Fettstift und… den
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