Begegnung im Schatten
Autoschlüssel, an dem ein zweieurostückgroßer Kunststoffclip hing. Den hielt sie mit Daumen und Zeigefinger Stephan vor’s Gesicht und sagte mit heiterer Ironie: „Hier ist er. Er ist codiert und löst die Wegfahrsperre meines Autos.“
Stephan Ramlundt verzog die Mundwinkel und hob die Schultern. „Wir können es ja versuchen.
Außer herum zu probieren bleibt uns ja nichts, wenn du nicht sägen willst. Skeptisch bin ich trotzdem.“ Er trank aus seinem Glas.
Sandra Georgius strich zufrieden lächelnd ihre Utensilien wieder in die Tasche. „Aber erst dann, wenn die Bauleute fort sind. In drei Tagen wahrscheinlich.“ Aus dem Tonfall ihrer Worte klang Genugtuung heraus. – Samstagnacht.
Ein abnehmender Dreiviertelmond tauchte das Gelände in fahles Licht. Die Blechrippen das Tonnendaches der neuen Halle reflektierten matt.
Die zwei Wachleute draußen vor der Umzäunung hatten sich auf ihren gegenläufigen Runden vor dem Tor getroffen. Einer zündete eine Zigarette. Sie unterhielten sich leise einige Minuten lang, bevor sie ihre Gänge wieder aufnahmen.
Der Mann, der bislang unweit des Tores hinter einem kleinen bewachsenen Erdhügel beobachtet hatte, richtete sich auf, wartete, bis die Wachleute die Lichtkegel der trüben Leuchten an der Einfahrt verlassen hatten und das Knirschen ihrer Schritte verklungen war. Er verharrte noch eine Weile. Aber außer dem weit entfernten Rumoren der Bagger aus dem Tagebau und dem Klagen eines Kauzes ließ sich nichts vernehmen.
Geduckt erreichte der Mann im raschen Lauf das Tor, schloss, eng an den Pfeiler geschmiegt, die kleine Tür neben dem Pförtnerhaus auf, schlüpfte in den Hof und versperrte den Zugang wieder.
Abermals lauschte der Eindringling, überquerte dann den Hof und befand sich wenige Augenblicke später in der kleinen Leichtbauhalle, deren Tor am Tag darauf geliefert und montiert werden sollte, als letzter Akt der Fertigstellung.
Im Inneren herrschte tiefe Finsternis. Nur das Viereck des Eingangs zeichnete sich als grauer Fleck ab.
Der Mann ließ das Licht einer Taschenlampe zwischen seinen Fingern als breiten Strich vor sich auf den Boden fallen, ging behutsam auf das Zelt zu und löste, die Lampe zwischen den Zähnen, bedächtig die Verschnürung und den Reißverschluss der Plane am Zugang.
Auch im Inneren des Zeltes ging er mit dem Licht sorgsam um. Er vermied, die Wandflächen direkt anzustrahlen, eingedenk der von außen sichtbaren Schattenbilder.
Eine Weile stand der Mann still, ließ den gedämpften Lichtstrahl über den Metallkörper gleiten, der, noch bemalt und beschrieben mit den Koordinaten, an einen Riesenkugelfisch, gefangen in einem Netz, erinnerte.
Dann trat der Mann nahe an die Stelle heran, an der ein Kreidekreis den im Inneren vermuteten Schließmechanismus markierte. Zögernd strich er mit der flachen Hand darüber. Dann legte er seine Umhängetasche ab und entnahm ihr Stück für Stück mit beiden Händen unterschiedlich geformte Gegenstände, die er, sorgfältig darauf achtend, dass es geräuschlos geschah, voneinander entfernt auf den Boden ablegte.
Er richtete sich auf, lehnte sich an den Shuttle und stand eine Weile reglos, als sei er in seinem weiteren Tun unschlüssig. Doch dann kauerte er sich nieder, ließ aus kurzer Entfernung volles Licht auf den Boden fallen und wählte eines der ausgelegten Werkzeuge aus.
Plötzlich war da ein Geräusch, als würden Textilien heftig gegeneinander gerieben.
Erschreckt wandte der Mann den Kopf. Doch aufrichten konnte er sich nicht mehr. Ein dumpfer Schlag streckte ihn zu Boden; sein Gesicht prallte in die ausgelegten Gegenstände. Das Licht seiner Lampe riss strahlend hell sein Ohr aus der Finsternis, an dem vorbei ein dünner Blutfaden herunter auf den Boden rann. – die Luke aufspringt, ist die Hermetik zum Teufel. Und, darüber sind wir uns doch wohl einig, dass das nicht passieren darf.“
Stephan Ramlundt, an den die Worte hauptsächlich gerichtet waren, biss auf die Zähne, dass die Kaumuskeln hervor traten. „Okay“, sagte er. „Es geht mir eben zu langsam. Und wie überhaupt, willst du das bewerkstelligen?“
„Mir scheint, dein Verstand hat bei dem Sturz doch etwas gelitten. Wir bauen eine provisorische Schleuse“, antwortete Roman Eiselt an Stelle Sandra Georgius’. „Die brauchen wir, egal ob das mit dem Magneten funktioniert oder nicht. Auch wenn wir sägen…“
„Ach, ihr Schlauberger!“, höhnte Stephan Ramlundt. „Als ob sich über zehn Millionen
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