Begegnung im Schatten
sich abrupt um und verließ das Zimmer.
,Er lügt’, dachte Sandra Georgius enttäuscht. ,Stephan lügt!’
„Da habe ich glücklicherweise beizeiten vorgesorgt.“ Dr. Hauser lehnte sich in seinem Sessel zurück und nahm einen Schluck roten Weins.
Sie saßen in anheimelnder gemütlicher Geburtstagsrunde, Dr. Gerhard Hauser, sein Freund, der Apotheker Bernd Gneisel und dessen Lebensgefährtin, Juliane Merseburger.
Die Abendsonne hatte gegen den kühlen Sommerwind verloren, sodass man sich in das große Wohnzimmer zurückgezogen, zur Terrasse hin die breite Tür aber offen gehalten, im Kamin dafür das Feuer entfacht hatte.
„Eine Schande ist es trotzdem“, bemerkte Gneisel. „Da hast du nun geschuftet, deswegen kaum Urlaub gemacht, deiner Ursula, Gott hab’ sie selig, oftmals nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, und nun schmeißen sie dich einfach raus, nur weil du fünfundsechzig bist. Was wird aus den vielen angefangenen Arbeiten?“
„Kein Mensch ist unersetzbar“, antwortete Hauser lächelnd.
„Sprüche“, warf Frau Merseburger ein. „Gerade du musst das sagen. Schau dich doch an! Mit deiner Vitalität nimmst du es mit viel Jüngeren auf. Und wie viele Patente hast du?“
„Ich konnte mich lange genug auf diesen Punkt vorbereiten, fünfundsechzig Jahre.“ Er schmunzelte. „Wenn uns die Einhaltung unserer verkrusteten Regulative, eine Bürokratie, die Kreativität erstickt, lieber ist – in Gottes Namen dann! Etliche in meiner Lage gehen in die Staaten und werden dort mit geschmatzten Händen, wie man so sagt, aufgenommen.
Die Wirtschaft und Lehre dort zehren von unseren Erfahrungen, vom Können. Ich mache das anders. Kommt mal mit!“ Er stand auf und ging voran durch die Diele die breite Kellertreppe hinab. Unten stieß er eine Flügeltür auf; die Gäste blieben überrascht stehen: Ein mittleres Laboratorium tat sich auf, offensichtlich auf das Modernste eingerichtet: Brut- und Gefrierschränke, eine Zentrifuge, Analysegeräte, sogar, neben einem modernen optischen, ein Elektronenmikroskop, ein komfortabler Arbeitstisch und natürlich Computer. „Meine Ersparnisse“, erklärte Hauser nicht ohne Stolz. „Aber wozu brauche ich ein dickes Konto. Und für ein paar Arbeitsspaßmacher habe ich auch gesorgt. Vielleicht hört man vom alten Hauser noch etwas. Wie gesagt, ich habe mich vorbereitet. Deshalb, Bernd, Juliane, habe ich mir auch das Haus geleistet. So, nun gehen wir wieder nach oben, der Service müsste bald mit dem Büfett kommen.“
Gegen Mitternacht stand plötzlich zur Überraschung der Gäste ein Mann auf der Terrasse, der sich durch kräftiges Klopfen an den Rahmen der noch immer offenen Tür gegen die lebhafte Unterhaltung am Kaminfeuer bemerkbar gemacht hatte.
„Ah“, rief Dr. Hauser wie zur Begrüßung, „schon da!“ Auch er schien mit dem Erscheinen des Mannes nicht gerechnet zu haben.
„Noch ein Geburtstagsgast?“, fragte Frau Merseburger. Sie blickte zur Uhr. „Da wird’s aber Zeit, der Tag ist gleich um.“
„Soll ich – abladen?“, fragte der Angekommene von der Tür her.
„Ein Kollege, der mich gelegentlich in meiner Arbeit unterstützt“, erklärte Dr. Hauser ein wenig hastig. „Nein, nein, das machen wir morgen“, beantwortete er dessen Frage.
Der Mann hatte sich von seinem Platz an der Tür nicht hinweggerührt. „Übrigens, einen schönen Abend wünsche ich“, holte er den versäumten Gruß nach. Der flackernde Schein des Feuers ließ nur eine dunkle Kleidung erkennen. Nicht nur huschende Schatten, sondern auch der breite Schirm einer Golfmütze verwischten seine Gesichtszüge. „Okay“, bestätigte er Hausers Entscheidung. „Viel Vergnügen noch!“ Und er entschwand in der Dunkelheit.
„Er hätte doch noch ein wenig mitfeiern können“, sagte die Merseburger.
Dr. Hauser schenkte – wie es schien, ein wenig fahrig – Wein in die noch halb vollen Gläser nach. „Er wird müde sein, hat eine ziemlich lange Fahrt hinter sich. Noch ein neues Gerät, einen Cutter, hat er abgeholt…“
„Soll ich dir beim Abladen helfen?“, fragte Gneisel. „Das geht doch schnell.“
„Auf keinen Fall!“ Die Antwort kam schnell und unverhältnismäßig schroff. „Deswegen werden wir uns doch nicht unsere gemütliche Runde stören“, setzte er glättend hinzu. „Prost!“ Er hob lächelnd sein Glas und animierte so zum Trinken. „Also – was war mit den Welsen in diesem Seerestaurant in Bangkok?“
Eigentlich wollte Professor
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