Begegnung im Schatten
Kalisch, als er den Minister über den Diebstahl informierte, wegen des mit den polizeilichen Maßnahmen verbundenen Verzugs eine Verlängerung der Karenz bis zur Pressekonferenz beantragen. Aber der Minister fuhr ihm sofort in die Parade, indem er drängend fragte, wie weit die Vorbereitungen seien, und es dürfe nun erst recht keine weitere Verzögerung mehr geben. Darauf würde er sich verlassen, da er seinerseits zeitgleich das Kabinett zum Ereignis unterrichten würde. Es wäre ohnehin problematisch genug, die bisherige Geheimhaltung zu begründen.
Also handelte Kalisch nach der Devise: retten, was noch zu retten ist. Er wies Dr. Georgius an, sofort, sobald das polizeiliche Siegel entfernt sei, den Inhalt des Shuttles zu untersuchen. Wenigstens dort wollte er sich noch einen Vorlauf sichern. Den Glasquader mit dem Exterraner ließ er zwar – wie geplant – zu sich in das Institut transportieren, den Behälter zu öffnen, traute er sich nach Lage der Dinge nun nicht mehr. Ja, gäbe es noch beide… Alles Weitere würde dann wohl nach der bekannten Tippeltappeltour gehen: Bildung einer internationalen Kommission, endlose Beratungen, Kompetenzgerangel, schließlich die AllesMögliche-Schützer mit der Frage, ob überhaupt – und dann endlich ein Entschluss. Kalisch rechnete damit nicht unter einem Jahr. In stillen Minuten fühlte er sich fast geneigt, den Dieb zu beneiden. Dieser hatte freie Hand, konnte mit dem Fund das tun, was er, Kalisch, liebend gern getan hätte.
Dr. Sandra Georgius, Roman Eiselt und Stephan Ramlundt also stürzten sich in die Arbeit und
mussten sehr bald feststellen, dass die Ausbeute äußerst mager ausfallen würde. Etwas über die Funktionsweise des Shuttles selbst herauszubekommen, würde, so stellten sie fest, erstens überdurchschnittliche Fachkenntnisse in der Elektronik voraussetzen und zweitens wohl Monate dauern. Zu dem Schluss kamen sie nach mehreren Einblicken hinter die beschädigten Vierecke, die sie für kleine Bildschirme hielten: Also, im Einvernehmen mit Kalisch sollte sich damit die mit Sicherheit zu bildende Kommission befassen. Den dreien, so die präzise Aufgabe, oblag die Untersuchung des Inhalts dessen, was sie der Einfachheit halber als Schränke definierten. Diese zu öffnen, bot erstaunlicherweise keine Schwierigkeit. Sandra Georgius schlug die Magnetenmethode vor, und sie funktionierte – dieses Mal sogar mit leichten Dauermagneten. Aber die Freude darüber bewahrte sie nicht vor bitterer Enttäuschung. Es waren in der Tat Behälter, die die Menschheit weltweit unter dem Begriff Schrank versteht, mit allerlei Böden und verschiedenen Fächern. Und diese waren zum Teil leer, zum Teil mit Dingen angefüllt, die sich alsbald als allzu irdisch herausstellten, etliche freilich, wie sie nur als Fossilien, meist versteinert, in Museen zu betrachten sind: Blätter von Riesenfarnen, Ammonitengehäuse, eine wunderschöne Libelle mit einer Flügelspannweite von mehr als 30 Zentimetern und anderes Getier. Freilich, die Archäologin, betrachtete das alles mit Entzücken, aber die Freude darüber hielt sich dennoch in Grenzen. Im Wesentlichen fanden sich Dinge, die sich der heutige Mensch; der Archäologe zumal, aus seinem Wissen heraus vorstellen konnte, es gab wenig Überraschendes. Kalisch, der natürlich auf dem Laufenden gehalten wurde, stopfte das alles in das Programm der noch imaginären Kommission. Dennoch verlangte er wenigstens eine grobe Auflistung des Vorgefundenen.
„Eines müssen wir aus diesen Funden natürlich schlussfolgern“, erklärte Sandra Georgius. „Die beiden kamen offenbar mit ihrem Shuttle nicht direkt aus dem Orbit, sondern haben sich auf der Erde umgesehen, haben Material gesammelt, um es zum Registrieren, Auswerten – oder was weiß ich – auf ihr Schiff zu bringen. Bei einer dieser Exkursionen sind sie verunglückt.“
„Ich bin überzeugt, dass es hier irgendwo…“, Roman Eiselt vollzog mit dem linken Arm eine Kreisbewegung, die das Mobiliar des Shuttles betraf, „eine Menge Filme oder Bilder oder Ähnliches gibt.“
„Da drin sicher“, sagte Sandra Georgius, und sie deutete auf den Bord mit den unzähligen kleinen Vierecken. „Da wäre ich schon darauf gespannt! Fotos und Filme aus dem Tertiär…“ Sie nickte bedeutungsvoll.
Nur der ,Schrank’ im Heck des Shuttles enthielt Anderes, Fremdes. Er ließ sich erst öffnen, als sie mehrere Magnete gleichzeitig ansetzten. Der Raum hinter der Tür war wesentlich größer, und
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