Begegnung im Schatten
vereinbarten Zeit einigermaßen gespannt zu der Kriminalistin.
Im Arbeitszimmer der Kommissarin – Sandra Georgius solle sich einige Minuten gedulden, hatte ein Beflissener ausgerichtet – duftete es wie in einem gelüfteten Parfümladen. Anstatt Steckbriefe und Warnungen vor Übeltätern hingen Aquarelle von freundlichen Landschaften an den Wänden. Auf dem so gut wie leergeräumten Schreibtisch stand in einer schmucklosen Vase eine einzelne gelbe Rose. Die Möbel allerdings atmeten den Charme jahrzehntelanger deutscher Bürokratietradition.
Sandra Georgius nahm auf dem einzigen im Raum befindlichen Stuhl Platz.
Die Kommissarin im kurzen, karierten Röckchen, einer weißen, tiefspitz ausgeschnittenen Bluse, auf der sich das Halfter mit der Pistole ausnahm wie, wie Ketschup auf einer Buttercremetorte, grüßte „Hallo“, reichte Sandra Georgius die Hand und setzte sich graziös auf ihren Bürosessel, den sie jedoch hinter dem Schreibtisch hervorgerollt hatte. Sie sah frisch, erholt und sorgfältig kosmetikt aus, als käme sie spornstreichs aus einer Schönheitsfarm.
„Ohne Umschweife“, begann sie, stand auf, ging zum sicher durch unzählige Umzüge ziemlich ramponierten Schrank, entnahm ihm eine Tasche, die sie auf dem Schreibtisch ohne zu zögern entleerte. Es polterte ein zusammengebackenes Konglomerat unterschiedlich geformter Teile heraus, die Sandra Georgius nach dem zweiten Blick als Magnete identifizierte – und die Tasche kam ihr merkwürdig bekannt vor. „Das hat die Spurensicherung im Führerhaus einer Schrottraupe auf dem Platz neben der Halle gefunden.“ Sie setzte sich, schlug die Beine über und sah Sandra erwartungsvoll an.
Diese zog eine Grimasse und schüttelte den Kopf. ,Wo habe ich die Tasche schon gesehen?’, überlegte sie. „Im Augenblick kann ich damit nichts anfangen“, sie hob die Schultern.
„Es sind Magnete“, erklärte van Haarden überflüssigerweise, „und – es sind die Fingerabdrücke Ihres Kollegen Ramlundt drauf.“
,Ah, die Tasche! Es ist zweifelsfrei Stephans Tasche!‘, dachte Sandra Georgius, und ein mächtiger Schreck durchfuhr sie. Dann fasste sie sich schnell. „Sind Sie sicher?“, fragte sie.
„Ganz sicher.“
„Ich kann mir keinen Reim darauf machen.“
„Ist Ihnen in der letzten Zeit an Ihrem Mitarbeiter etwas aufgefallen?“
Sandra Georgius überlegte, schüttelte langsam den Kopf. „Nicht, dass ich wüsste“, antwortete sie.
„Was bedeuten die Magnete? Wozu könnte Ramlundt sie gebraucht haben?“
„Ich weiß es nicht – oder…“
„Wir haben den Shuttle mit Hilfe eines Magneten aufgemacht. Es könnte sein, dass Stephan, Kollege Ramlundt, in Vorbereitung darauf diese bereitgelegt hat. Für’s Öffnen aber wären sie zu schwach. Wir haben eine Elektromagneten… Außerdem, war ja, wie Sie wissen, der Shuttle offen, als – es passierte.“
„Also hat nach Ihrer Meinung das…“, sie zeigte auf den Metallklumpen, „mit dem Diebstahl nichts zu tun!“
Sandra Georgius bewegte nachdrücklich den Kopf hin und her. „Nichts!“, betonte sie. „Wie auch.“
„Und weshalb lag die Tasche in diesem Schrottfahrzeug?“
„Das, das weiß ich nicht. Es wird sich aber klären lassen.“
„Das denke ich. Wir meinen aber auch, dass ein Zusammenhang mit dem Diebstahl kaum besteht. Dennoch wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns mitteilten, was Sie dazu herausgefunden haben.“
Eine sehr nachdenkliche Dr. Sandra Georgius verließ das Polizeikommissariat. Sie schleppte Ramlundts Tasche mit den Magneten, die ihr die van Haarden nach einigem Zögern gegen eine Quittung herausgegeben hatte. ,Was, zum Teufel, hatte das zu bedeuten!’
Schon an ihrem Wagen angekommen, drehte sich ihr Denken noch immer um den mysteriösen Fall. Sie überlegte, wann und bei welcher Gelegenheit der Gedanke, das Öffnen mit Magneten zu versuchen, aufgekommen war. Ihr fielen das Aquarium und das Datum ein. Erst drei Tage später wurde der Shuttle geöffnet, nämlich, als die Halle fertig und die Bauleute abgezogen waren. ,Wenn also Stephan mit den Magneten irgendetwas vor hatte, dann in diesen drei Tagen. Und was, außer im Alleingang zu versuchen, das Ding zu öffnen, sollte er, hätte er mit den Magneten vorhaben können?
Das würde aber bedeuten… Als er merkte, dass es nicht funktioniert, hat er die Tasche samt Inhalt weggeworfen, versteckt. Aber warum mit Tasche?’
Plötzlich fiel ihr Stephans Kopfverletzung ein, die er sich angeblich bei einem
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