Begegnung im Schatten
physikalisches wohl, das sich uns noch verschließt oder nie offenbaren wird“, antwortete er weise. „Ein Stoff vielleicht, der durch irgendwelche Einwirkungen von einem festen in einen gasförmigen Zustand übergeht – und umgekehrt Das würde übrigens auch klären, wie sie in den Kasten hinein und wieder hinauskommen und – überhaupt hantieren können. Weshalb sie sich wassern…? Ich vermute, sie existieren amphibisch.“ Er sagte das obenhin, als handle es sich um die Speisefolge zum Abendessen. Dann trat er ans Regal, öffnete erneut einen Karton, entnahm ihm Operationshandschuhe und verteilte diese indem er von einem zum anderen der noch immer wie versteinert stehenden Anwesenden ging. Dann sagte er sarkastisch: „Draußen ist er.“ Er begab sich zu den Körper, betrachtete ihn aus nächster Nähe ohne ihn zu berühren, roch daran. Dann tippte er äußerst vorsichtig auf dessen Haut. „Fest“, verkündete er.
Unterdessen hatten die drei anderen ihre Haltung aufgegeben und traten näher.
„Das muss nicht so bleiben. Bislang befand er sich unter Luftabschluss, konserviert sozusagen. Er könnte sehr schnell zerfallen“, gab Ramlundt zu bedenken.
Hauser nickte, dachte offensichtlich nach. „Vor übermorgen komme ich an einen Tomographen nicht heran. Stephan, fassen Sie mit an! Mach’ die Truhe auf, Franziska!“ Er nahm einen Plastiksack von der Rolle, stülpte ihn über den Alien. Stephan Ramlundt trat hinzu. Sie fassten den Körper unter dessen Armansätzen, trugen ihn behutsam zur Truhe, legten ihn vorsichtig hinein und schlossen den Deckel.
„Das war es erst mal“, bemerkte Hauser.
„Er ist flüssigkeitsgesättigt.“ Stephan Ramlundt kratzte sich am Kopf. „Der Frost könnte Gewebe zerstören.“
„Was hätten Sie sonst vorgeschlagen?“, fragte Dr. Hauser spitz. „Wir müssen das aufwischen und gründlich desinfizieren.“ Hauser wies auf die Wasserlache und die benetzten Gegenstände. „Eine Reinigungskraft können wir uns aus Sicherheitsgründen nicht leisten.“
Stephan Ramlundt hielt sein Jackett am Aufhänger lässig über die Schulter geworfen und schlenderte zu seinem Auto. Er fühlte sich wohlig abgespannt wie einer, der Mühen hinter sich gebracht hat, die sich gelohnt hatten.
Schrägstehende Sonnenbalken zwischen den Bäumen stilisierten Schwebendes zu Glitzersternchen. ,Eigentlich zu schade, schon in die lärmende Stadt zu fahren’, dachte er.
Rechter Hand kam Franziska Hauser-Lan aus dem Gerätehaus. Sie trug ein eng gebundenes Tuch auf dem Kopf und einen Blaumann. Da war nichts von der eleganten Dame, von der Distanz, die Stephan Ramlundt vor Tagen im Hotel Respekt und Zurückhaltung auferlegt hatten.
Mit einem Ruck streifte sie das Tuch ab. Ihre Haare fielen auf die nackten Schultern. „Feierabend? Mir reicht es auch. Haben Sie keine Lust auf ein kühles Bad? Um die Ecke ist ein See, hm?“ Sie sah ihn ermunternd an.
Überrascht hob Ramlundt die Schultern. Nach einen Augenblick des Zauderns stimmte er zu: „Warum eigentlich nicht?“ Fast hätte er albern hinzugefügt: ,Aber ich habe keine Badehose.’
„Okay, dann los – wir nehmen meinen.“ Wie sie war, stieg sie ins Auto. Ein wenig zögernd folgte der Mann.
Obwohl Dr. Hauser alle Register seiner Beziehungen zog, dauerte es doch vier Tage, bis er nachts in der renommierten Privatklinik „Wiesengrund“ für zwei Stunden den Tomographen benutzen durfte, eine nicht wenig aufregende Aktion. Das Verladen, Transportieren des Alien, Warten, bis der Zugang unbeobachtet geschehen konnte, dann die misstrauischen Blicke der Krankenschwester, die zunächst für die Bedienung des hochwertigen Geräts benötigt wurde – Handlungen und Situationen wie in einen Kriminalfall.
Markus Markowitsch fuhr das Auto, Dr. Hauser und Stephan Ramlundt kamen alle übrigen Tätigkeiten zu.
Hauser ließ nach den notwendigen Schalthandlungen die feinste Schrittfolge einstellen.
„Alles andere läuft automatisch. Wenn Sie fertig sind, rufen Sie mich“, erklärte die Schwester in schnippischem Ton und mit einem Blick, der verriet, was sie von solchen Proteges des Chefs hielt.
Sie betteten den hartgefrorenen Körper auf den Einschub, und Hauser drückte den bezeichneten Startknopf. Schritt für Schritt ruckte der Alien in den Durchleuchtungskanal und würde Scheibe für Scheibe das Geheimnis seines Körpers preisgeben müssen. Kein Wunder, dass Stephan Ramlundt übernervös im Raum umherwanderte, sich minutenlang setzte, mit den
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