Begegnung im Schatten
warten, bis ihm ein mitfühlender Autofahrer aus der Verlegenheit half. Und schließlich hatte er ein von weitem sichtbares großes Objekt erwartet – und war zunächst daran vorbei gefahren. ,In Australien soll es nahezu vor Krokodilen wimmeln und Hunderte von Zuchtfarmen geben’, dachte Ramlundt grimmig. ,Und ausgerechnet hier und nur, weil ein Deutschstämmiger der Direktor sein soll…’
Aber in der Tat – gedanklich leistete Ramlundt Abbitte –, es half. Sei es, dass der Mann tatsächlich von Hauser gehört hatte oder sich nur geschmeichelt fühlte, oder wieder einmal sein hartes Deutsch sprechen konnte, er sagte sofort Hilfe zu, nachdem Ramlundt seine Grüße ausgerichtet und das Anliegen vorgetragen hatte. Bevor es aber dazu kam, musste von einer einheimischen Bediensteten, einer molligen jungen Aboriginee, ein Frühstück improvisiert werden. Der Hausherr reichte Wein, dessen Anbau, wie er mit Stolz verkündete, natürlich deutsche Siedler den Schafscherern und Urenkeln englischer Knastbrüder beigebracht hatten.
Später wurden die Farm besichtigt, eine Schaufütterung veranstaltet und die Brutmaschine vorgeführt, das, was Ramlundt eigentlich interessierte und wo er sich auch Notizen machte.
Nach Stunden durfte er sich verabschieden mit einigem Frust, weil er an diesem Tag den Genehmigungsmenschen nicht mehr erreichte, aber auch mit Freude über fünf der kostbaren Eier und eine Menge guter Ratschläge, wie man diese transportiert und überhaupt mit ihnen umzugehen sei, in seinem Gepäck.
Der nächste Tag führte ihn quer über den Kontinent nach Brisbane, wo er am Abend flugmüde ankam und beschloss, sich den kommenden Tag frei zu nehmen. Er quartierte sich im „Conrad Brisbane“ ein und bedauerte ein weiteres Mal, Franziska nicht bei sich zu wissen. Das jüngste Luxushotel der Stadt hätte gewiss ihrem Geschmack entsprochen und das beste Ambiente für einen wundervollen Abend geboten.
Stephan Ramlundt genoss das Nichtstun. Er schlenderte durch die City, der man nicht anmerkte, dass sie das Zentrum einer Millionenstadt ist – bis man auf die Queen Street Mall stößt, von der man annehmen mochte, dass sich sämtliche Einwohner dort zu einem Zeitpunkt treffen.
Er erfreute sich an den stattlichen Bauten der Pionierzeit ebenso wie am umfangreichen Grün, das vielen Brisbanern wohl den Eindruck vermittelte, in einem Park zu wohnen. Museen ließ Stephan Ramlundt aus, er beobachtete eilende, bummelnde Menschen von StraßenCafés aus und erfreute sich abends, nach dem schnellen Einbruch der Dämmerung, am Lichtermeer der Hochhäuser am Ufer des Brisbane-Rivers.
Natürlich hatte die Überquerung ganz Australiens von Darwin nach Brisbane wieder mit Hausers Planung zu tun. Angeblich arbeite der Zoo in Fraunheim mit dem Alma Park Zoo Brisbanes zusammen, und eine entsprechende Empfehlung könnte Türen öffnen.
Dieses Mal aber war dem nicht so.
Der Direktor sei heute nicht da, ein anderer nicht zuständig. Morgen! Von einer Ankündigung des Besuchs per Fax wäre nichts bekannt. Und überhaupt, man glaube nicht, dass um diese Jahreszeit dem Wunsch nachgekommen werden könnte.
Ramlundt hätte nicht zu sagen vermocht, dass ihn dieser Bescheid sonderlich ärgerte. Noch ein Tag Urlaub! Zum ersten Mal erfreute er sich im Park an Kängurus und anderen, ihm bislang zum Teil unbekannten Tieren des Kontinents. Lange beobachtete er Schnabeltiere, diese Merkwürdigkeiten zwischen Fischotter und Ente, und er dachte dabei an Hauser und daran, ob dieser nicht Hirngespinsten nacheile und er, Stephan Ramlundt, zwangsweise mit.
Er besuchte das Gondwana Rainforest Sanctuary und hielt sich fast zwei Stunden am Gehege der possierlichen Koalas auf. – Den Direktor des Zoos fand Stephan Ramlund nicht in seinem Büro vor. Er suchte ihn im Gelände und fand ihn mit zwei Mitarbeitern auf einem Inspektionsgang.
Ramlundt wartete artig auf eine Gelegenheit, ihn anzusprechen, worauf jener zunächst höflich, aber sehr reserviert reagierte. Ja, er könne sich an ein Fax erinnern, es sei aber ausgeschlossen, der Bitte zu entsprechen. Was man sich in Deutschland denke. Wenn überhaupt, müsse so etwas vorbereitet werden, die Tiere legen auf Befehl keine Eier. Es täte ihm leid, dass die Reise… Aber Australien sei ein schönes Land und Brisbane eine interessante Stadt.
Angesprochen auf die guten Beziehungen zum Fraunheimer Tierpark, lächelte der Mann: „Doch, ich erinnere mich“, sagte er, „vor sieben oder acht Jahren haben
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