Begegnung im Schatten
Wermutstropfen: Er reiste allein. Der ursprüngliche Plan, Franziska solle ihn begleiten, wurde fallen gelassen, weil diese Neue, diese Medizinerin eine Assistentin benötigte.
Zwischen Franziska Hauser-Lan und Stephan Ramlundt hatte sich eine Beziehung des gegenseitigen Freudespendens entwickelt, weitgehend befreit von Hergebrachtem, Verpflichtungen und irgendwelchem Druck. Ob solches Bestand haben kann? Gerade darin bestand das Credo, dass sich darüber beide keine Gedanken machten. Der Augenblick zählt, hieß die Devise. Beide bekannten, noch niemals in ihrem Leben eine solche Harmonie und Glückseligkeit empfunden zu haben. Wenn ihnen der Sinn danach stand, ergab sich spontan stets eine Möglichkeit, einmal von ihm, einmal von ihr eingeleitet, in allen Varianten zu genießen. In der Stadt kehrte Franziska die Dame von Welt heraus, was Stephan an ihrer Seite nicht wenig schmeichelte. Ging es über Land, konnte sie kindlicher Wildfang sein… Stets aber endeten die Tage in Abende und Nächte voller Zärtlichkeit und vorbehaltloser Hingabe. Anfangs schob sich manches Mal Sandra Georgius’ Bild in Szenen mit Franziska, doch immer mehr verblasste es. Stephan Ramlundt wurde sich zunehmend sicherer, seinen Weg gefunden zu haben. Und auch deshalb hätte er sich gewünscht, Franziska könne den Charme und das Vergnügen einer solchen Reise mit ihm teilen. So würde es eine profane, eine Art Dienstreise sein, deren Ziel es war, erfolgreich zu enden.
Aus diesem Grund hatte Stephan Ramlundt seinen ursprünglichen Plan, zunächst nach Sydney zu fliegen, sich dort zwei, drei Tage umzuschauen, aufgegeben und sich sogleich das Dienstliche vorgenommen. Das Ziel hieß Darwin. Nach allem, was Ramlundt von dieser Stadt wusste, war sie zweimal in ihrer Geschichte fast dem Erdboden gleich gemacht worden, im Zweiten Weltkrieg durch japanische Bomben und 1974 durch den Wirbelsturm „Tracy“. Die wenigen Stunden, die ihn in die Stadt führten und die er benötigte, um sein weiteres Handeln vorzubereiten, gaben dem Reiseführer Recht: Den Wiederaufbau der Stadt hatte vordergründig der Kommerz bestimmt. Kultur und damit das Schöne waren im Wesentlichen auf der Strecke geblieben. Nur wenige historische Bauten, die die Debakel überstanden hatten, setzten Lichtpunkte.
Schon der erste Kontakt mit der Verwaltungsbehörde des Northern Territory erwies sich als problematisch. Und es lag keineswegs am auffrischungsbedürftigen Englisch des Besuchers.
„Schön und gut“, meinte der zuständige Inspektor, den Ramlundt nach langem Irren durch das Government House gefunden hatte.
Die Bescheinigungen, allesamt mit deutlichen Stempeln, die Ramlundt vorgelegt und die Dr. Hauser mit Mühe besorgt hatte, imponierten dem Mann nicht sonderlich. Er wendete sie einige Zeit hin und her und äußerte dann: „Der normale Weg ist das nicht. So etwas läuft über Antrag von der Einrichtung über die Behörden. Wenn zum Beispiel ein Tiergarten… Ohne Anmeldung ist es überhaupt schwierig. Nun ja.“ Er winkte ab.
„Aber doch hoffentlich nicht unmöglich“, warf Ramlundt ein. Er hatte plötzlich das unangenehme Gefühl, dass sein Image leiden könnte, wenn seine Mission erfolglos verliefe. Natürlich wusste er, dass sein Auftrag außerhalb der Normalität, ja sogar konspirativ lief. Er würde einer halbwegs gründlichen Prüfung nicht standhalten. „Es kommt sehr auf Ihr Geschick an“, hatte Hauser gemeint. „Aber kommen Sie mir ja nicht ohne… Sie wissen, was davon abhängt, auch für Sie!“
„Nichts ist unmöglich… und wenn Sie schon einmal hier sind!“
„Dass Ihre Institutionen das gerne hätten, auch verantwortlich damit umgehen wollen und Ihr Zoll keine Bedenken äußert, okay. Die Ausfuhrunbedenklichkeit kann ich aber erst erteilen, wenn die Direktion der Farm abgeben kann. Wir haben einen strengen Artenschutz, da gibt es Quoten. Also. Wenn Sie das haben, sehen wir uns wieder. Bedenken Sie aber, dass das dann noch keine Ausfuhrgenehmigung ist. Dafür ist unser Zoll zuständig.“
Es dauerte, bis Stephan Ramlundt die verhältnismäßig kleine Krokodilfarm am Rande des Territory Wildlife Parks, nur 60 Kilometer von Darwin entfernt, erreicht hatte. Er ging die Fahrt zunächst übervorsichtig an, um als gewöhnter Rechtsfahrer auf der linken Fahrbahn nicht ins Unheil zu geraten. Einmal blieb der geliehene Jeep stehen. Es lag, entgegen der Beteuerung des Verleihers, nur die Anzeige sei defekt, am fehlenden Benzin. Ramlundt musste
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