Begegnung im Schatten
der laufenden Woche die Teile geliefert werden würden. „Und der Bau selbst, ein Klacks!“, sagte er.
„War eine ganz schöne Aufregung damals, als Fritz das Ding aus der Kohle geholt hat“, erinnerte sich Erich Lange, nickte mit wichtiger Miene und nahm einen kräftigen Schluck.
Sandra Georgius las in der Speisekarte.
„Ich wollte erst gar nicht ran, als er mich anhielt, es vom Kohlestoß wegzuschleppen. Na, man konnte ja nicht wissen.“
Die Frau hatte eine ,Lausitzer Schlachteplatte’ und ein Pils gewählt und die Karte beiseite gelegt. Wenig aufmerksam sann sie Langes Worten nach. „Ja“, bestätigte sie lächelnd, „man konnte wirklich nicht wissen…“ Doch auf einmal klickte es in ihrem Hirn: ,Erich Lange?’, dachte sie. ,Ein Erich Lange war nicht auf der Liste derer, die nach dem Diebstahl in die Ermittlung der Wissensträger einbezogen wurden!’ Sie beugte sich dem Mann zu: „Erzählen Sie, Herr Lange, wie Ihnen damals zumute war, als Sie den Shuttle zum ersten Mal zu Gesicht bekamen, das interessiert mich.“
„Tja, er kam mir gleich komisch vor. Aber wer denkt denn an so was. Ganz vorsichtig hab’ ich ihn vor den Schild genommen, umgesetzt und noch einmal, bis ich ihn dort hatte, wo Fritz ihn hinhaben wollte.“ Ungefragt setzte ihm die Kellnerin ein frisches Bier hin, das er antrank.
„Und, konnten Sie sich denken damals, was es sein könnte?“ „Eigentlich nicht. Fritz meinte, es sieht aus wie so ein Amischattel.“
,Wie ein Amishuttle’, sann Sandra.
„Ja“, bestätigte Fritz Hegemeister eifrig, „mein erster Eindruck, als er aus dem Flöz guckte.“
„Na, sicher war sich damals keiner.“ Sandra Georgius wusste nicht, wie sie das Gespräch in Gang halten und auf den Punkt bringen konnte, der sie interessierte, ohne die Männer zu verunsichern oder gar misstrauisch zu machen. „Deshalb wurde ja auch am Anfang so ein Geheimnis draus gemacht.“
„Äh“, stieß Erich Lange verächtlich hervor. „Lang habe ich mich damals damit nicht befasst.“ Dann lächelte er, hob sein Glas, schaute über den Rand hinweg Sandra Georgius an. „Ein verliebter Gockel, ich, und meine letzte Schicht vor den Ferien. Und gleich am ersten Urlaubstag hatte ich den blöden Autounfall.“ Wichtigtuerisch setzt er hinzu: „Ein Crash mit der Lorenz!“
„Mit der Lorenz – wer ist die Lorenz?“
„Eine berühmte Sängerin am Staatstheater Domhausen. War auch im Fernsehen.“
„Interessant“, sagte Sandra. ,Ärgerlich’, dachte sie, ,der Faden ist weg.’
„Und die hast du gleich erkannt“, frotzelte Fritz Hegemeister.
„Quatsch. Da war da so ein Reporter, der hat fotografiert. Ein munterer Vogel übrigens. Abends haben wir in der Pension, in der er wohnte und mir ein Zimmer besorgt hatte, noch ein paar Flaschen Bier miteinander leer gemacht. War ganz lustig. Natürlich hatte er vom Tagebau keine Ahnung. Er hat ganz schön gestaunt, als ich ihm erzählte, was und wieviel wir dort rausholen, auch von den Bernsteinen. Nur das mit dem Schattel wollte er mir natürlich nicht glauben. Ist ja auch komisch!“
ja, komisch“, bestätigte Sandra Georgius und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. ,Das ist der Punkt’, dachte sie und widmete sich ihrer Schlachtplatte, die die Kellnerin im Augenblick servierte.
Sandra Georgius befreite eine Scheibe Blutwurst von der Pelle. „Hat er denn wenigstens etwas Gescheites geschrieben über den Unfall, dieser Reporter?“
„Oh ja! Hier… Ich müsste doch…“ Erich Lange zog seine Brieftasche hervor, blätterte in den Fächern und zog schließlich ein aus der Zeitung geschnittenes Papier hervor, das sich an den Knickstellen bereits mulmig auflöste. „Hier!“ Er breitete es sorgfältig auseinander und schob es Sandra Georgius vor den Teller.
Diese unterbrach, scheinbar nur höflichkeitshalber interessiert, ihre Tätigkeit und beugte sich über den Artikel.
Zwei demolierte Autos auf zwei kleinen Schwarzweiß-Fotos, auf dem einen, nur schwer zu erkennen, Erich Lange, in der oberen Ecke des anderen ein kleines Porträt einen langhaarigen Dame, ein einmontiertes Archivbild offenbar. Die Überschrift: „Frau Lorenz und der Mann aus dem Tagebau“
Sandra Georgius tat, als lese sie. Sie bemühte sich jedoch lediglich, den Namen des Autors zu erfassen, durch den ein Knick lief, der etliche Buchstaben lädiert hatte. „Mar…tsch“ konnte sie entziffern. „Eine hübsche Frau“, anerkannte Sandra. „Hat die Versicherung wenigstens
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