Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Angelegenheit des Bundesverfassungsschutzes und des MAD! Mit Politik wollen wir uns nicht beschäftigen.«
    Über den verschwundenen Zinksarg, in dem die verbrannte Bettina Wolter liegen sollte, wurde nie wieder gesprochen.
    Borokin war um einige Stunden schneller gewesen. Und wer die Geheimdienste kennt, weiß, daß man dort fair sein kann und Leistungen des Gegners anerkennt.
    »Gestorben«, sagte der General mit der Brille, als ihm die Meldung aus Hamburg auf den Tisch gelegt wurde. »Gönnen wir den Sowjets diesen Streich. Uns erspart es viel Ärger. Aber propagandistisch wäre es ein Knüller gewesen.«
    Und auch Jassenskij nickte Borokin belobigend zu, als er von der gelungenen Sargentführung hörte.
    »Wo ist er jetzt?« fragte er beiläufig beim Nachtisch. Er aß einen Vanillepudding mit Schokoladensoße, und das machte ihn frohgestimmt.
    »Wir haben ihn in einer einsamen Gegend des Sachsenwaldes vergraben«, antwortete Borokin. »Werden Sie mir jetzt sagen, Genosse Oberst, wer wirklich in dem Sarg war?«
    »Eine Tote. Ein verbranntes Mädchen. Eine Arbeiterin, die in der Ölraffinerie verunglückt war.« Jassenskij löffelte seinen herrlichen Pudding. »Halten Sie uns für Anfänger, Borokin?«
    »Und in dem Sarg in Tiflis?«
    »Zwei Baumstammstücke.« Jassenskij goß sich noch Schokoladensoße nach. »Wir dürfen glücklich sein, Jurij Alexandrowitsch, daß wir das überstanden haben.«
    *
    Es heißt immer, es liege an jedem einzelnen Menschen selbst, was er aus sich macht und was aus ihm wird. Diese Behauptung mag grundsätzlich richtig sein, läßt aber außer acht, daß alles menschliche Bemühen nichts nutzt, wenn man kein Glück hat. Glück ist das Salz des Lebens. Ohne Glück kann ein Genie als ein Irrer gelten.
    Dimitri Sergejewitsch Sotowskij hatte Glück.
    Drei Wochen saß er als Toilettenschrubber unter der Erde in einem nach Moschus und Lavendel riechenden gekachelten Gefängnis, betrachtete die zusammengekniffenen Hintern seiner Kunden an den Pinkelrinnen, reichte Handtücher und Seife, nahm Trinkgelder an, lauschte auf die Philosophie, zu der Männer in solcher Umgebung angeregt werden, und da das russische Nachtlokal ›Datscha‹ viel Stammkunden hatte, wußte Dimitri schon bald, was geschah, wenn der oder jener die Treppe herabkam.
    Der Direktor Panolopulos, ein Grieche, der in Beirut eine Bank vertrat, hatte – nur als Beispiel – die Angewohnheit, bei seiner Entleerung tief zu seufzen, die Augen zu schließen und zu Dimitri zu sagen: »Mein Bester, das Wertvollste, was wir haben, sind wir selbst!«
    Und Dimitri antwortete stets: »Welche Wahrheit, Herr Direktor Panolopulos!« Dafür bekam er ein großes Trinkgeld.
    Oder der Franzose Jules Lachaise. Wie ein Sprinter kam er die Treppe heruntergerannt, stieß mit dem Kopf fast an die Kachelwand, und dann geschah es, daß Dimitri auf den extra für Sonderfälle bereitstehenden Zerstäuber drückte, um die Luft wieder zum Einatmen erträglich zu machen.
    So ging das drei Wochen, bis eines Morgens Barbesitzer Ilja Matwejewitsch Pikalow zu Dimitri sagte: »Brüderchen, du bist zu schade für die Toilette. Ich weiß, keinen Ersatz gibt es für dich, alle sind sie zufrieden mit dir, ein großes Jammern wird's geben, denn man sagt, daß du der geborene Lokuswärter seist, diskret, höflich und für jeden ein gutes Wort – aber mich zerreißt es, dich nur bei den pinkelnden Männern zu sehen.« Und dann richtete sich Pikalow auf, warf sich in die Brust und sagte feierlich: »Dimitri Sergejewitsch – ich befördere dich zum Außenportier! Du bekommst zwar nur die Hälfte des Gehaltes, aber du verdienst das Dreifache durch die Trinkgelder. Und eine Uniform wirst du tragen! Söhnchen, eine herrliche Uniform! Ein Traum von einer Uniform! Die Weiberchen werden die Augen verdrehen und mit dem Hintern wackeln, und die Männer werden ihr Herz schlagen hören, denn du wirst aussehen wie ein junger Gott aus der Steppe!«
    Dimitri war es recht. Er verließ seine Toilette und bekam seine Uniform. Der Theaterschneider von Beirut hatte sie entworfen und genäht, und so sah sie auch aus.
    Ein Mittelding zwischen Kosakentracht und Kirgisengewand, goldbetreßt wie ein Ataman, mit Fellmütze und weichen Stiefelchen, und dazu für die kalten Nächte ein Mäntelchen. Genossen, eine Wonne war's! Mit Pelz besetzt, der aussah wie silberner Nerz, aber es handelte sich nur um Kaninchen. Als Dimitri zum erstenmal in seiner Uniform in das Büro Pikalows trat, schlug

Weitere Kostenlose Bücher