Begegnung in Tiflis
warum.
Es war spät am Abend, als es bei Irene Brandes klingelte. Sie hatte gerade zu Bett gehen wollen. Nun warf sie ihren Bademantel über, ging zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Eine kräftige Hand fuhr dazwischen, drückte die Tür auf, und ehe Irene sich wehren konnte, stand Borokin in der Diele und warf hinter sich die Tür zu.
»Ich mußte klingeln, Täubchen«, sagte er, packte Irene an der Schulter, drehte sie um und schob sie vor sich her ins Wohnzimmer. »Du hast die Schlösser auswechseln lassen. Leider lohnt es sich nicht mehr, von den neuen Schlössern Abdrücke zu machen, denn meine Aufgabe in Deutschland ist bald beendet.«
»Sie verlassen Deutschland, Borokin?« Irene Brandes war bis zur Couch zurückgewichen. Nicht weit davon stand das Telefon … nur noch zwei Meter … Borokin lächelte. Er machte ein paar lange Schritte und riß die Leitung aus der Wand.
»Sie können damit nur Wolfgang heranlocken«, sagte Irene heiser vor Angst. »Wenn er anruft, und er ruft jeden Abend an, und dauernd kommt das Besetztzeichen …«
»Ein paar Minuten nur, mein wildes Schwänchen.« Borokin sah sich um. Er suchte etwas, und als er es gefunden hatte, wurde sein Lächeln breiter. Mit einem harten Griff faßte er Irene und stieß sie durch das Wohnzimmer zu der kleinen Eßnische. Dort umfing er sie und warf sie auf den Tisch. Das geschah alles so schnell und mit einer solchen wilden Kraft, daß Irene sich erst wehrte, als sie mit dem Rücken auf dem Tisch lag. Da trat sie um sich, boxte und krümmte sich zusammen und dann schrie sie, hell und kreischend. »Hilfe! Hilfe! Hilfe!«
Borokin beugte sich vor. Mit der Faust hieb er ihr auf den Mund, die Lippen platzen auf, Blut lief über Kinn und Hals, und vor den Augen Irenes drehte sich das Zimmer, und die Decke zerfloß in gelbe Wellen. Von ganz weit hörte sie die Stimme Borokins, als säße sie in einem Karton voller Watte.
»Den Mund hältst du, du Hure«, sagte Borokin. Er hielt ihre Arme fest und schwang sich auf den Tisch, setzte sich auf ihre Beine und preßte sie damit völlig auf die Platte. »Wo ist Dimitri?« fragte er, als er sah, daß Irenes Benommenheit nachließ. Ihre Augen, voller Entsetzen, begannen zu flattern.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie. Jedes Wort brannte auf den zerschlagenen Lippen. Borokin schüttelte den Kopf.
»Sei kein Held, Hürchen! Keinen Zweck hat es.« Mit beiden Händen riß er ihren Bademantel auf, zerfetzte das Nachthemd, das sie darunter trug, und holte aus der Tasche ein zusammengeklapptes Messer.
»Ich weiß es nicht!« schrie Irene. Grauen lähmte sie, ihr Körper versagte die geringste Gegenwehr. »Ich schwöre es … ich weiß es nicht!«
»Die Mongolen sind Meister im Fragen«, sagte Borokin kalt. »Meistens sind es die Männer, die Mut bis zu einem gewissen Grad beweisen. Kommt ihnen einmal eine Frau in die Hand, die verhört wird, so hat man folgende Methode: Man zieht sie aus, man fesselt sie, legt sie auf einen Tisch und nimmt ein scharfes Messer. Nach dem ersten Nein schneidet man die linke Brustwarze ab, nach dem zweiten Nein die rechte. Nach dem dritten Nein schlitzt man die linke Brust auf, nach dem vierten Nein die rechte. Bisher hat noch keine Frau über das erste Nein hinaus gelogen.« Borokin klappte sein Messer auf. Mit starrem Gesicht sah er hinunter auf den schönen weißen Körper Irenes und auf ihre festen, runden Brüste. »Wo ist Dimitri?« fragte er dumpf.
»Ich weiß es nicht!« schrie Irene. Ihr Mund klappte auf, Schweiß überzog plötzlich ihren Körper, sie starrte auf die blanke Messerklinge und fühlte, wie die Hand Borokins nach ihrer linken Brust tastete. »Bei Gott! Bei meiner Mutter! Bei allem, was es gibt, ich weiß es wirklich nicht! Er ist weggegangen, er ist geflüchtet … es hat Streit gegeben zwischen Wolfgang und seinem Vater, wegen Dimitri. Da ist er weg … Borokin … Borokin … glauben Sie mir …«
Dann wurde sie besinnungslos, als sie sah, wie sich das Messer auf ihre linke Brust senkte.
Nach einer halben Stunde verließ Borokin die Wohnung von Irene Brandes. Er hatte ihren leblosen Körper zur Couch getragen und mit einer Decke zugedeckt.
Nichts, dachte er, als er draußen im Treppenhaus stand. Dimitri ist geflüchtet. Wo auf der weiten Welt soll man jetzt einen Menschen suchen? Unmöglich ist's, auch die Genossen werden es einsehen müssen.
Doch wenn Moskau es nicht einsah?
Jurij Alexandrowitsch Borokin verließ fast traurig das Haus, stieg in seinen
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