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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wagen und fuhr hinaus in die Nacht. Irgendwohin, planlos, nach Westen oder Osten, er kannte nicht die Richtung. Sie war auch gleichgültig. Denn wo immer er auch hinkam – überall blieb das Bewußtsein, daß sein Leben nichts mehr galt.
    *
    Bettina hatte viel Zeit, sich Algier, die weiße Stadt auf den roten Felsen, anzusehen. Sie stand oben an der Hafenstraße und sah hinunter auf das Gewimmel an den Molen, sie ging mit einem eingeborenen Führer durch die Kasbah, die alte Berberstadt, und sie fuhr hinaus zum Botanischen Garten, diesem Märchen aus 1001 blühenden Pflanzen.
    Die Ölgesellschaft im Marseille hatte alles bestens vorbereitet. Der Flug verlief glatt. Die Paßkontrolle war nur eine Formsache. Von einem Beauftragten der Ölfirma wurde sie nach der Ankunft vom Maison-Blanche, dem Flugplatz Algiers, abgeholt. Sie erhielt ein schönes großes Zimmer im Hotel Oasis unter den Kolonnaden der Hafenstraße. Und dann kaufte sie erst einmal ein, um Dimitri mit Geschenken zu überraschen. Eine goldene Armkette kaufte sie, lang und mit dicken Gliedern; die wollte sie Dimitri um das Handgelenk schlingen und dann um ihren Arm und zu ihm sagen: »So, nun kannst du nicht mehr weglaufen! Du müßtest mich schon hinterherziehen.« Dann würde Dimitri sicher lachen, dieses herrliche, jungenhafte Lachen, das sie zuerst geliebt hatte, damals, an der nächtlichen Ölleitung von Tiflis, und er würde mitkommen zum nächsten Flugzeug und zurückfliegen nach Deutschland, wo seine neue Heimat war.
    Vier Tage wartete Bettina im Hotel Oasis auf das Schiff ›Liberté‹. Der Hotelportier wollte es ihr sofort mitteilen, wenn das Einlaufen im Hafen gemeldet wurde. Drei Tage lang kam überhaupt kein Schiff. Die Kais und Molen waren wie ausgestorben. Nur die Bettler standen herum oder das Heer der Nichtstuer, das die afrikanischen Straßen und Märkte bevölkert.
    Am vierten Tag rief sie endlich die Ölgesellschaft an, das Kontaktbüro in Algier, nahe der Präfektur. Dort saß ein verschlafener Mann, der ins Telefon gähnte, denn es war mittags 13 Uhr, eine Zeit, in der sich ein anständiger Mensch ausruhte und vor der Hitze verkroch.
    »Die ›Liberté‹?« fragte der Verschlafene. »Wieso, Mademoiselle? Sie warten auf die ›Liberté‹?«
    »Seit drei Tagen! Sie müßte längst in Algier sein. Ist etwas passiert? Haben Sie irgendwelche Nachricht?« Bettina wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Weniger die Hitze war es, die sie seufzen ließ, als die Angst um Dimitri.
    »Die ›Liberté‹ kommt nicht nach Algier«, antwortete der schläfrige Mensch. »Wissen Sie denn nicht … seit zwei Tagen haben wir in Algier einen Hafenarbeiterstreik. Alle französischen Schiffe werden umgeleitet nach Oran oder Bône. Die ›Liberté‹ wird wahrscheinlich Oran angelaufen haben.«
    »In Oran …«, stammelte Bettina. »Und ich warte hier in Algier … Was geschieht mit den Angestellten Ihrer Gesellschaft, die mit dem Schiff gekommen sind?«
    »Sie kommen sofort an ihre Stellen.«
    »Und die Bohringenieure?«
    »Werden am nächsten Tag in die Wüste geflogen.«
    Bettina legte auf. Ihr Kopf sank nach vorn gegen das Fenster. Unten, unter der Kolonnade, stand ein einbeiniger Bettler und sang leise vor sich hin. Ein Schwarm Fliegen umsurrte ihn.
    In die Wüste.
    Dimitri ist schon in der Wüste … und ich warte hier …
    Mein Gott, hilf mir … ich werde in die Wüste müssen, um Dimitri zu holen.
    Und plötzlich verließ sie alle Kraft, sie legte das Gesicht auf die Arme und weinte und wußte doch, daß sie, so schnell es möglich war, in die Sahara ziehen würde, in die unendlich Schweigende, wie der Araber sie nennt.
    In die Einsamkeit aus Sand, Felsen, Salzseen, Geröll, glutender Sonne und brennendem Himmel.
    »Und wenn ich auf Kamelen und Mauleseln quer durch die Wüste reite«, sagte Bettina zu sich, als sie sich wieder gefaßt hatte und vor dem großen Spiegel in der Brausekabine ihres Hotelzimmers in Algier stand, »ich werde Dimitri mitbringen! Eher komme ich nicht zurück nach Deutschland.«
    Sie begann damit, daß sie das algerische Büro der Ölgesellschaft aufsuchte und nach langem Warten endlich einem Subdirektor gegenübersaß, der Grenadine-Limonade trank und stinkende schwarze Zigaretten rauchte.
    »Ein ausgesprochenes Pech, Mademoiselle«, sagte er höflich, wie alle Franzosen höflich gegenüber einer schönen Frau sind, auch wenn sie – wie Bettina – im Augenblick störte, denn der Hafenarbeiterstreik von Algier lähmte

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