Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
Vom Netzwerk:
tippe eher auf einen bedauernswerten Irren.“
    „Und wenn schon, sogar das war mir egal, wenn er bloß irgendwie reagiert hätte. Er hingegen ertrug alles mit einer stoischen Ruhe, die mich nur umso fuchsteufelswilder machte. Also vermutete ich, er sei taub und würde von den Lippen lesen, bis ich ihn zufällig …“ Er zuckte nonchalant mit der Schulter. „Ich gebe zu, ich habe ihn und einen Angestellten belauscht, als sie sich auf Englisch unterhielten. Später, er behauptete, sich an nichts mehr erinnern zu können, musste ich Ossi jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Du kennst ihn ja.“
    „Ich kenne ihn? Dass er freiwillig kaum redet, ist so gut wie das Einzige, was ich von Adrian weiß. Und dass er in Irland geboren wurde und sich sehr wohl an sein Zuhause erinnert.“
    „Das hat er dir erzählt?“ Abrupt war Matthias stehen geblieben und schaute Suse aus seinen großen Augen ungläubig an. „Er kann sich daran erinnern? An Irland? An sein … Zuhause? Bist du sicher? Wenn ich danach fragte, hat er es stets abgestritten. Er wüsste gar nichts, hätte alles vergessen. Hab ich ihm zwar nie so richtig abgenommen, weil er über ein phänomenales Gedächtnis verfügt, doch was sollte ich machen? Warum hat er mit mir kein einziges Mal darüber gesprochen, zumal ich … ich war während der Ferien meist in Killenymore. Er hat nie darum gebeten, mich begleiten zu dürfen. Und von alleine kam der Alte nicht auf diese Idee.“
    „Erinnerungen, Heimweh, Gefüh le. Du hast selbst gesagt, er wollte keine Gefühle zeigen. Über sein Zuhause reden hätte aber genau das bedeutet. Und hätte es etwas an seiner Situation geändert, wenn du von seiner Sehnsucht nach seiner Heimat gewusst hättest? Hätte ihm dein Vater erlaubt, gemeinsam mit dir nach Irland zu fahren?“
    Betreten senkte Clausing den Kopf. Obwohl er damals ein Kind gewesen war, welches sich über einen Spielkameraden gefreut hatte, packte ihn wieder das schlechte Gewissen.
    „Ich weiß es nicht. Möglicherweise hätte er es nicht einmal mitbekommen. Im Prinzip war er ständig in Geschäften unterwegs, reiste von einem seiner Güter zum anderen oder trieb sich wer weiß wo rum. Es hat mir nichts ausgemacht, da er sich selbst während seiner Anwesenheit nicht um mich kümmerte, weder mit mir redete, noch etwas unternahm. Die Mahlzeiten musste ich allein in meinem Zimmer einnehmen, wenn ich mich nicht in Máires Küche schleichen konnte. Immerhin bezahlte er Personal, damit er seine Ruhe vor mir hatte.“
    „Und deine Mutter?“
    „Sie ist gestorben, als ich noch zu klein war, um mich an sie erinnern zu können.“
    „Oh.“ Unwillkürlich drückte Suse seinen Arm fester an ihren Kör per, bis er glaubte, die Rundung ihrer Brust an seinen Rippen spüren zu können. „Das tut mir leid, Matt’n. Es muss sehr schwer für dich gewesen sein, ohne Mutter aufzuwachsen, auch wenn du mit Máire wohl einen würdigen Ersatz gefunden hattest. Hat dein Vater nie wieder geheiratet?“
    Clausings Miene verdüsterte sich. Das jedoch konnte Suse nicht sehen, da sie ihre Aufmerksamkeit der vereisten Straße schenkte, die sie gerade überquerten.
    „Dafür gab es keinen Grund. Er hatte seinen Erben. Und um Milch zu trinken, kauft niemand gleich eine ganze Kuh.“
    „ Clausing!“ Entrüstet blickte sie zu ihm auf und erschrak über den harten Zug um seine Mundwinkel und die düsteren Augen.
    „Was?! Was willst du, Susanne? Wenn du das nächste Mal nach solchen Dingen fragst, solltest du vorher überlegen, ob du die Antwort erträgst. Vielleicht willst du ja auch nicht hören, warum der Alte seine letzte Geliebte aus dem Haus jagte. Ich werde es dir trotzdem sagen: Er hatte nämlich herausgefunden, dass ihr Interesse mehr seinem Sohn als ihm selber galt.“
    „Mochtest du sie denn nicht als Mutter haben?“
    „Als Mutter, hä? Ach, Susanne, verstehst du denn wirklich nicht? Sie hegte mir gegenüber keinerlei mütterliche Gefühle! Ich war zehn und sie betrachtete mich und meine Unschuld als eine lohnenswerte Herausforderung.“
    „Sie wollte dich …“
    „Ja. Als unterhaltsames, nettes, kleines Spielzeug.“
    „Aber du warst noch ein Kind!“
    „Wo lebst du denn? Das machte die Sache doch erst richtig reizvoll für sie. Nach einer handfesten Auseinandersetzung und einer Woche Krankenhaus bekam ich dann Ossi als altersgerechten Spielgefährten an die Seite gestellt.“
    Völlig benommen schloss Suse die Augen. Clausings Beichte entwickelte sich allmäh lich

Weitere Kostenlose Bücher